HIST TEMPELRITTER
TEMPELRITTER
Templerorden
Der letzte Kampf der Tempelritter
Vor 700 Jahren fand der mächtigste Orden der Christenheit ein schmähliches Ende: Frankreichs König unterwarf die Gotteskrieger der Folter, der Papst gab seinen Segen.
Keine Stimme erhebt sich, kein Protest wird laut am 3. April 1312 in der Kathedrale zu Vienne, südlich von Lyon. Bischöfe und Fürsten aus ganz Frankreich tagen bereits seit einem halben Jahr in der Rhone-Stadt. An diesem Tag nun sind Menschen aller Stände zugegen, doch ein Kleriker hat den Anwesenden unter Androhung der Exkommunikation das Wort verboten. Schweigend blickt die Versammlung nach vorn. Dort, im Altarraum, haben unter einem Zeltdach die zwei mächtigsten Männer der Christenheit Platz genommen: König Philipp IV. von Frankreich und Papst Clemens V.
Papst und König könnten unterschiedlicher nicht sein: Hart und gesund wirkt der König. "Der Schöne" wird er genannt. Seit 1285 regiert er Frankreich und hat es zu neuer Größe geführt. Wortkarg ist er, fast schweigsam, festen Glaubens und eisernen Willens. Clemens dagegen, seit 1305 auf dem Stuhl Petri, sieht erschöpft aus. Seit Jahren zermürbt der Krebs seinen aufgedunsenen Leib. Sein heiliges Amt hat er allein Philipp zu verdanken – der König hat Clemens zum Papst gemacht und ihn genötigt, seinen Sitz in Frankreich zu nehmen statt in Rom.
In der Kathedrale von Vienne verkündet Clemens jetzt eine Entscheidung, die bereits wenige Tage zuvor, am 22. März, gefallen ist und über die Schriftsteller und Fantasten noch Jahrhunderte später spekulieren werden. In seiner Bulle Vox in excelso verfügt der Papst die Aufhebung des legendären Templerordens. Es ist der Schlussstrich unter das spektakulärste Inquisitionsverfahren des Mittelalters. Historiker erkennen in ihm heute einen Vorläufer der politischen Schauprozesse des 20. Jahrhunderts.
Neben Frankreichs König wiederholt Clemens noch einmal die ungeheuerlichen Anwürfe gegen die Glaubensritter. Spricht von "der Häresie, der Glauben und Seelen ausgesetzt sind". Von "schrecklichen Untaten". Die Templer sollen Novizen gezwungen haben, bei der Aufnahme das Kreuz zu bespucken, den Erlöser zu verleugnen und den Priester "unsittlich" zu küssen. Sie sollen einen Götzen verehrt und der "Sodomie" gefrönt haben, dem Sex unter Männern. Der Orden sei ein Hort der Ketzerei und Verderbtheit. Trotzdem werden auf dem Konzil von Vienne die Templer nicht de iure, nicht gesetzlich verboten, sondern per viam provisionis et ordinationis, also gleichsam auf dem Verwaltungsweg ausgelöscht – nach fünf Jahren Verfolgung, Folter und Zermürbung.
Die "Soldaten Christi" werden Burgherren und Bankiers
Was war geschehen? Wie war der mächtigste Orden der Christenheit in diese Lage gekommen? Nicht lange war es her, da galt die zwischen 1118 und 1120 gegründete Gemeinschaft noch als Inbegriff frommer Ritterlichkeit. "Freue Dich, Jerusalem!", jubelte um 1130 der Zisterzienservater Bernhard von Clairvaux und bescheinigte der "neuen Miliz" Christi gleich doppelt Mut und Tapferkeit: im äußeren Kampf gegen die "Ungläubigen", die Muslime, und im Inneren gegen die unsichtbare Macht des Bösen.
1095 hatte Papst Urban II. zum Kreuzzug nach Jerusalem aufgerufen. Es war die Zeit der gregorianischen Kirchenreform, eine Phase religiöser Erneuerung, der starken Päpste und der geschwächten Könige. Der Templerorden war ein Kind jener Zeit.
Tausende zogen 1095 ins Heilige Land, nach "Outremer", wie es die Franzosen nannten. Zwischen 1098 und 1102 entstanden dort vier lateinische Staaten: die Grafschaft von Edessa, das Fürstentum Antiochia, das Königreich Jerusalem und die Grafschaft Tripolis. Doch die Fahrt zu den heiligen Stätten war nach wie vor gefährlich. Um die Reisenden gegen Banditen und Löwen zu verteidigen, gründete Hugues de Payens die Gemeinschaft zum Schutz der Jerusalempilger. Der König von Jerusalem gewährte den frommen Kämpfern Unterkunft in seinem Palast an der Südseite des Felsendoms, wo nach biblischem Glauben Salomos Tempel stand – daher ihr Name.
Arm sollen sie gewesen sein, die ersten Tempelritter. Noch haben sie nicht einmal ein Ordenskleid; erst später wird der weiße Umhang mit dem roten Kreuz zu ihrem Zeichen. Ihr Siegel zeigt zwei Ritter, die sich ein Pferd teilen – Sinnbild für ihre Bescheidenheit, aber auch für die Doppelgesichtigkeit des neuen Instituts. Denn die Templer versöhnen, wie der französische Historiker Alain Demurger 1985 schrieb, "das Unversöhnliche": Sie sind Mönch und Krieger. Zwar finden sich einzelne "Waffenbrüder" schon in den Reihen der rund zwei Jahrzehnte zuvor gegründeten Johanniter, die den Pilgern im Heiligen Land Unterkunft gewähren und sie medizinisch versorgen. Die Tempelritter aber sind der erste geistliche Orden, der sich ganz dem Kampf widmet, ein Bund heiliger Krieger. 1129 gibt er sich auf dem Konzil von Troyes eine Regel. Später verleiht ihm die Kurie weitreichende Privilegien: Die "Soldaten Christi" stehen nun unter Schutz und Schirm des Papstes. Sie haben eigene Priester, sind vom Zehnten befreit, ja dürfen ihn selbst erheben, und sie sind auch rechtlich allein Rom unterstellt.
Ihre Anziehungskraft ist groß. Überall in Europa treten kreuzzugsbegeisterte Adlige und Geistliche in den Ruhm verheißenden Orden ein. Könige geben Burgen und Ländereien, Bischöfe schenken Kirchen. Von Frankreich bis zur Iberischen Halbinsel, von England über die deutschen Lande bis Italien erwerben die Templer Grund und Boden und errichten Niederlassungen (Komtureien). Sie bauen Wein an und Getreide, sie züchten Vieh und unterhalten von der Mitte des 13. Jahrhunderts an sogar eine Mittelmeerflotte, um Krieger und Pferde zu verschiffen. Ohne diesen Rückhalt in Europa wäre der Orden rasch untergegangen – vernichtet im Kampf. Und ohne die Templer hätten sich die lateinischen Staaten nicht fast zwei Jahrhunderte lang im Vorderen Orient behaupten können.
Darüber hinaus betätigen sich die Templer als Bankiers und Schatzmeister. Sie arbeiten mit hoch entwickelten Buchführungstechniken. Und bald lassen sogar Könige ihre Finanzen von ihnen verwalten. Die englische Krone nimmt Kredite auf. Im festungsgleich bewehrten Pariser "Temple" lagert während des 13. Jahrhunderts der französische Staatsschatz. Auf dem Höhepunkt ihres Wirkens sind die Templer "Kirche in der Kirche und Staat im Staate", wie der israelische Historiker Joshua Prawer 1980 feststellte. Im 13. Jahrhundert zählen sie rund 7.000 Ritter und andere Mitglieder, besitzen mindestens 870 Burgen und weitere Niederlassungen.
Doch mit dem Erfolg wächst auch die Gefahr. Denn vielen wird der Orden zu mächtig. Tatsächlich beginnen einige Staaten, die Templer in die Schranken zu weisen, und verhindern, dass sie noch mehr Land erwerben. Auch ist Kritik zu hören: Hochmütig seien die Templer geworden, gierig nach Ruhm und Gold, der Erfolg habe sie ihre Ideale vergessen lassen.
Dann kommt das Jahr 1291 und verändert alles. Schon lange wankt die christliche Herrschaft in Outremer, nun holen die Muslime zum entscheidenden Schlag aus. Akkon fällt, die Hafenstadt und letzte Bastion. Die Templer verlegen ihren Sitz nach Zypern. Das Heilige Land ist verloren. Der Orden scheint überflüssig geworden.
Die Ritter des nach Templervorbild gegründeten Deutschen Ordens konzentrieren sich nun ganz auf ihre Territorien im Nordosten Europas, die zur Keimzelle des späteren Preußen werden. Die Johanniter, die wenige Jahre später Rhodos zu ihrem Stützpunkt machen, führen mit einer starken Flotte den Kampf gegen die Türken. Die Templer aber wollen nur eins: das Heilige Land zurückerobern.
Im September 1291 wird Jacques de Molay, ein Mann aus niederem französischen Adel, ihr Hochmeister. Die Nachwelt hat ihn mal als tragischen Helden gezeichnet, mal als einen Mann des Mittelmaßes, mal gar als Feigling, der den Herausforderungen, vor denen er stand, nicht gewachsen war.
Das Drama beginnt 1306. Die Versuche der Templer, im Heiligen Land wieder Fuß zu fassen, sind allesamt gescheitert. Der Kreuzzugsgedanke aber lebt fort. Noch einmal will man vereint losziehen. Papst Clemens V. bittet den Templer-Hochmeister und den Hochmeister der Johanniter, Fulko von Villarets, zur Beratung über einen neuen Kreuzzug zu sich nach Poitiers.
Molay ahnt nicht, in welche Gefahr er sich begibt, als er nach Frankreich aufbricht. Seltsame Gerüchte kommen dem Hochmeister dort zu Ohren. Die Templer seien Ketzer, Götzendiener und Sodomiten. Ein gewisser Esquieu de Floyran hat dies verbreitet. Zunächst ist er beim König von Aragon vorstellig geworden, doch der glaubte ihm nicht, schließlich kämpfen viele Templer auf der Iberischen Halbinsel weiterhin gegen die Mauren. Daraufhin verkaufte der Denunziant sein brisantes "Wissen" dem französischen König. Dessen Räte und Minister, allen voran Guillaume de Nogaret, wittern die Chance, den mächtigen, lästig gewordenen Orden zu zerschlagen, und beginnen eine Kampagne. Eifrig sammelt Nogaret "Beweise", rekrutiert Zeugen, infiltriert die Templergemeinschaft mit Agenten.
Zunächst plündert Philipp der Schöne die Juden aus
Molay ist entsetzt. Im vollen Vertrauen auf den Papst bittet er Clemens, eine Untersuchung zu eröffnen. Molay glaubt, ein päpstliches Verfahren könne den Orden von allen Verdächtigungen reinwaschen. Der Papst aber hat dem König nur noch wenig entgegenzusetzen. Die große Zeit, die große Macht der Päpste ist Vergangenheit. In der Gestalt Philipps des Schönen und seines expandierenden Reichs tritt stattdessen das Königtum mit neuer Kraft in Erscheinung. Philipp hat Frankreich zu einem Staat mit modernen Zügen geformt. Wirtschaft, Justiz und Verwaltung kommen mehr und mehr unter zentrale Kontrolle.
Wie er es mit dem Heiligen Stuhl hält, hat er der Welt im Jahr 1303 gezeigt: Als Papst Bonifatius VIII. gegen Philipps Politik aufbegehrt, lässt der König ihn als Häretiker diffamieren. Noch im selben Jahr stirbt Bonifatius, nachdem Guillaume de Nogaret versucht hat, ihn festzusetzen. Nachfolger Benedikt XI. amtiert nur wenige Monate, dann lässt Philipp den Bischof von Bordeaux zum Papst wählen: Clemens V., der von 1309 an in Avignon residiert.
Aber weshalb holt der König zum Schlag gegen die Templer aus? Die Gerüchte, selbst wenn er einigen geglaubt haben mag, sind wohl eher Anlass als Ursache. Philipps modernisierter Staat und sein Krieg gegen England und Flandern verschlingen gewaltige Summen, der König ist notorisch knapp bei Kasse. 1306 lässt er die rund 100.000 Juden, die in Frankreich leben, enteignen und vertreiben. Zuvor schon ist er gegen die Lombarden, die italienischen Geldleiher, vorgegangen. In den Niederlassungen der Templer vermutet er nun gleichfalls sagenhafte Schätze.
Doch dies ist wohl kaum das einzige Motiv. Ein weiteres könnte, so vermuten Historiker, Philipps Ambition gewesen sein, selber zum Hochmeister eines vereinten Ritterordens zu werden – und sich, nach einem erfolgreichen Kreuzzug, zum König von Jerusalem zu krönen. Welch ein Triumph wäre das in seiner Auseinandersetzung mit dem Papst!
Am Freitag, dem 13. Oktober 1307, gibt er das Signal zum Angriff. Königliche Polizisten im ganzen Land nehmen alle Templer fest, derer sie habhaft werden, dringen in die Komtureien ein, legen Inventarlisten an. 546 Männer kommen in Haft, 138 allein in Paris – unter ihnen Jacques de Molay.
Mit diesem Coup ist Philipp dem Papst im entscheidenden Moment zuvorgekommen. Und dafür bricht er bedenkenlos das Gesetz: Denn die Templer-Angelegenheit ist ein Fall für die Inquisition, und die untersteht der Kirche, nicht dem Staat. Der Pariser Großinquisitor Guillaume Imbert aber spielt das Spiel des Königs mit. Er ist Philipps Beichtvater.
Unter Folter gestehen die ersten Templer.
Clemens bebt vor Wut. "Euer überstürztes Vorgehen ist eine Beleidigung gegen uns und die römische Kirche", lässt er den König wissen. Auch im Ausland stößt Philipps Attacke auf Ablehnung. Kein europäischer Herrscher will ihm folgen. Doch dann präsentiert Philipp erste Geständnisse. Wie die Polizei sie den Gefangenen abgepresst hat, ist in einem Brief des Königs vom September mehr als nur angedeutet. Die Angeklagten, heißt es, müssten "geprüft werden wie das Gold im Schmelztiegel und gereinigt durch eine unumgängliche Probe".
Am 24. Oktober gesteht der Großmeister nach schwerer Folter, er habe bei seiner Aufnahme in den Orden Jesus verleugnen und das Kreuz bespeien müssen (habe allerdings vorbeigespuckt!). Tags darauf wiederholt er sein Geständnis. Und er weist seine Ordensbrüder an, auch ihrerseits "die Wahrheit" zu sagen. In Paris tun dies alle bis auf vier Angeklagte. Philipp scheint am Ziel: Die Templer sind gebrochen, noch ehe der eigentliche Prozess angefangen hat.
Als der Papst das Verfahren am 22. November an sich reißt, bleibt ihm denn auch nichts anderes übrig, als auf dem Weg voranzuschreiten, den der König vorgegeben hat. Um seine Autorität wiederzugewinnen, befiehlt er nun die Inhaftierung aller Templer und die Übergabe ihres Besitzes an die Kirche. Eine Verhaftungswelle rollt durchs Abendland.
Jacques de Molay schöpft dennoch Hoffnung. Im Dezember widerruft er vor zwei Bischöfen sein Geständnis. Er habe gelogen, weil ihm vor der Folter graute. Später wird er auch diese Aussage zurücknehmen, wohl weil er fürchtet, sonst auf dem Scheiterhaufen zu enden. Wer in einem Inquisitionsprozess ein Verbrechen erst zugibt und dann wieder leugnet, gilt als rückfälliger Ketzer und ist gleich mit dem Tod zu bestrafen. Schließlich verstummt Molay ganz und pocht darauf, vor seinen rechtmäßigen Richter treten zu dürfen: vor Clemens V.
Der Großmeister der Templer darf den Papst nicht mehr sehen
Eine erfolglose Strategie: Der Hochmeister wird den Papst nicht mehr zu Gesicht bekommen. Philipp und seine Helfer wissen dies mit Tücke zu verhindern. Und selbst wenn es Molay gelungen wäre: Es hätte weder ihn noch seinen Orden gerettet. Der König triumphiert. 1308 lässt Philipp die Stände des Königreichs einberufen: Adel, Klerus, Vertreter der Städte. "Himmel und Erde sind bewegt durch den Atem eines so großen Verbrechens", tönt Nogaret. Guillaume de Plaisan, ein anderer Minister des Königs, droht dem Papst sogar mit Gewalt. Clemens bleibt nur noch, die Sache zu verschleppen.
Über Jahre zieht sich der Prozess hin. In den Bistümern stehen die Templer als Einzelpersonen vor Gericht, in Paris richtet von 1309 an eine päpstliche Kommission über den Orden als Institution. Hier wie dort manipulieren Philipps Minister das Verfahren, lenken dem König ergebene Geistliche es in die gewünschte Richtung. Trotzdem finden sich über die Monate immer mehr Mutige, die ihren Orden in Paris verteidigen und widerrufen, was die Henker des Königs ihnen abgepresst haben. Mehr als 50 von ihnen lassen ihr Leben auf dem Scheiterhaufen.
Während des Konzils von Vienne erreicht die königliche Drohpolitik ihren Höhepunkt. Als die dortigen Verhandlungen nicht vorankommen, zieht Philipp mit seinem Heer in die Stadt ein. Clemens rettet seine Haut und den Anschein seiner Amtswürde – am 22. März 1312 löst er den Templerorden eilig und aus eigener Machtbefugnis auf. Wir wissen nicht, ob der Papst die Templer für schuldig hielt oder nicht. Er kapitulierte vor der Gewalt des Königs.
Das Drama aber ist noch nicht beendet. Ein Akt steht noch aus: der Urteilsspruch gegen die vier höchsten Würdenträger, unter ihnen Jacques de Molay. Sie zu richten, hat sich Clemens persönlich vorbehalten. Doch am Ende zieht er es vor, Kardinäle nach Paris zu entsenden. Noch zwei Jahre verbringen die Angeklagten dort zwischen Gefängnismauern. Dann, am 18. März 1314, ergeht vor dem Portal von Notre-Dame das Urteil: "lebenslänglicher strenger Kerker".
Bis zuletzt hat Jacques de Molay in Verkennung seiner Lage auf den Papst vertraut. Nun, im Angesicht der völligen Ausweglosigkeit, lehnt er sich mit einer letzten Geste gegen sein Schicksal auf. "Während die Kardinäle glaubten, damit sei alles in dieser Angelegenheit abgeschlossen", berichtet ein Chronist, "erhoben sich ganz unversehens und unerwartet zwei von diesen Männern, der Großmeister und der Meister der Normandie." Nachdem ein Kardinal das Urteil gesprochen hat, ergreifen sie das Wort und widerrufen. Noch am selben Tag werden Jacques de Molay und Geoffroy de Charnay, der Meister der Normandie, verbrannt.
Binnen Jahresfrist starben auch ihre Peiniger und Widersacher. Clemens raffte am 20. April 1314 der Krebs dahin. Im Dezember erlag Philipp der Schöne den Folgen eines Jagdunfalls. Er war vom Pferd gestürzt.
Im neuen Zentralstaat gibt es keinen Platz mehr für die Templer
Und was geschah mit den verbliebenen Templern? Tauchten sie in Geheimgesellschaften unter? Traten später die Freimaurer ihr Erbe an? Und haben sie ihre sagenhaften Schätze in Sicherheit gebracht, bevor Philipps Schergen zuschlugen?
Die historische Wahrheit ist schlichter: Der Templerorden verschwand nach und nach in ganz Europa. Einzig in Portugal lebte er in dem neu gegründeten Christusorden fort, dessen Reichtum dem kleinen Land später dazu verhelfen sollte, zur Seemacht aufzusteigen. Der Besitz der Tempelritter – der weit weniger exorbitant war, als es sich Philipp der Schöne erträumt haben mochte – wurde den Johannitern übergeben. De facto war damit das Ziel erreicht, die beiden Orden zu vereinen. Einen erklecklichen Teil des Templervermögens sicherte sich die französische Krone, indem sie den Johannitern die Haftkosten für die eingekerkerten Ordensbrüder mit einem horrenden Betrag in Rechnung stellte.
So gibt die Geschichte weniger Rätsel auf, als es die Fantasyliteratur nahelegt. Vielmehr zeugt die Zerschlagung der Templer von der sehr rationalen Durchsetzung eines politischen Willens – mit neuen Mitteln, zu denen damals auch die Folter gehörte. Skrupellos nutzte Philipp der Schöne das Recht als Machtinstrument. Im Verfahren gegen den Orden, so schrieb ein englischer Templer schon im Februar 1308, sei es nicht darum gegangen, "die Wahrheit ans Licht zu bringen, sondern aus einem Verdächtigen einen Schuldigen zu machen". Geschickt mobilisierten der König und seine Räte dazu die öffentliche Meinung, das Ziel klar vor Augen: eine Organisation aus dem Weg zu schaffen, für die es unter ihrer zentralen Herrschaft keinen Platz mehr gab. Es war der erste Schritt hin zu einer absolutistischen Herrschaft, die Europas Geschichte noch jahrhundertelang prägen sollte.
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