Fragt man einen beliebigen Jesuiten nach dem spirituellen Kern seines Ordens,
wird "Gott suchen und finden in allen Dingen" mit Sicherheit genannt.
Es ist eine Formulierung aus dem Exerzitienbuch des Ignatius von Loyola,
schillernd und vieldeutig. Überall ist Gott zu finden, es gibt keinen Ort,
wo Gott nicht wäre. Aber da ist ein großes Aber, wie der Papst im Interview,
und nicht nur da, warnt: die Verwechslung von sich selbst mit Gott.

Diese findet sich gerne im innerkirchlichen Diskurs. Auch in der Debatte um Homosexualität.
Da gibt es ausgemachte Homophobie ebenso wie die stille Überzeugung,
man müsse sich dem Zeitgeist anpassen. Die gegensätzlichsten Ansichten werden
verbrämt mit derselben Behauptung, man stehe für Kirche, Christus, Nächstenliebe.
Man wisse ja, wo Gott sei. Man habe ihn gefunden. Franziskus will aber suchen,
nicht recht haben. Natürlich gilt die christliche Lehre, aber der Kern alles
Christlichen ist die Suche nach Gottes Liebe. "Wie schaut Gott auf homosexuelle Menschen?",
fragt Franziskus. "Schaut er die Tatsache mit Liebe an, oder verurteilt er und weist sie zurück?"

Das Gottsuchen berechtigt nicht zum Urteil über andere. Wer Gott findet,
hat ihn längst noch nicht. Im Gegenteil, wer Urteile fällen will, der hat die Suche aufgegeben.
Das sagt uns dieser Papst-Jesuit. Wer also verstehen will, wie das mit der Liebe,
mit Hetero- und Homosexualität in Gottes Angesicht ist, der darf nicht urteilen,
sondern muss suchen, um zu finden. "Und häufig findet man nur tastend",
sagt Franziskus, "wie man in der Bibel liest."