Fehlermeldung

  • Notice: Undefined index: access in _menu_link_translate() (Zeile 913 von /home/www/21/93/hshgpado/drupal/includes/menu.inc).
  • Notice: Undefined index: access in _menu_tree_check_access() (Zeile 1446 von /home/www/21/93/hshgpado/drupal/includes/menu.inc).

PEACE & WAR | SYRIEN | GHUTA | DOKU BAUER GILBERT

7
Damaskus, Innenstadt, ein noch von dem Regime kontrolliertes Viertel, Sara, 31,
Krankenschwester:

Die Anhänger Assads haben am Nachmittag nach dem Giftgasangriff auf den Straßen gefeiert. Sie haben vor dem Hauptquartier des Roten Halbmondes in Al Mazeh Djabal getanzt und Lieder gesungen. Sie sind mit ihren Autos im Korso gefahren, haben gejubelt und gesungen. Sie haben vor Freude in die Luft geschossen. Sie haben gerufen: Endlich hat unser Führer es denen gezeigt! An dem Kontrollposten der Loyalisten nach Ost-Ghuta verteilten Soldaten Flyer, die alle aufforderten, Ost-Ghuta zu verlassen, weil sie sonst das Schicksal der Vergasten teilen würden. Das war am Armeeposten Mukhaim Falastin, und auch der Muezzin der nahe gelegenen Moschee hat die Einwohner von Ost-Ghuta aufgefordert, zu gehen, sonst würden sie Opfer des nächsten Angriffs werden. Viele, die ich kenne, können nicht mehr schlafen, ich auch. Das Gas kam im Schlaf. Ich habe Angst, einzuschlafen.

Ain Tarma, Dr. Obaida, Arzt:

Ich habe mir in dieser Nacht feuchte Tücher um den Kopf gebunden. Ich bin raus zum Auto und in die Klinik gefahren. Es sind nur vier Minuten von mir dorthin. Wir hatten schon früher Chemiewaffenangriffe, aber nur kleinere. In meiner Klinik behandelten wir an diesem Morgen 2800 Menschen. Ich ging von Patient zu Patient. Ich hatte keine Zeit, das Chaos um mich herum zu ordnen. Es war in der Klinik sehr viel unqualifiziertes Personal. Die Helfer machten schwere Fehler. Sie haben Patienten zu viel Atropin gegeben. Du musst die vitalen Lebensfunktionen von Gasopfern ständig überprüfen, etwa den Puls. Wenn du ihnen zu viel Atropin auf einmal gibst, verstärkt das die Krämpfe. Du weißt dann nicht, ob die an einer Überdosis Atropin sterben oder am Nervengas.

In der Panik hat man übersehen, dass das Wasser, mit dem die Menschen abgespritzt wurden, kontaminiert war. Sie haben die Menschen im gleichen Kellerraum gewaschen, in dem sie sie behandelt haben. So wurde dieser Ort zu einem Sumpf aus Nervengas, das Wasser stand dort 15 Zentimeter hoch. Es konnte nicht abfließen.

Das Giftgas regt den Körper an, viel Flüssigkeit zu produzieren. Augenflüssigkeit, Speichel, Schleim. Das läuft alles in die Luftröhre und in die Lungen. Die Menschen ertrinken in ihrem eigenen Schleim. Wir hatten nur fünf Handpumpen, mit denen wir die Luftröhre frei machen konnten.

Um die Mittagszeit trugen wir die Toten in eine Schule, wir trauten uns nicht, sie auf den Hof zu legen. Das hätte sonst die Aufmerksamkeit der Jets auf sich gezogen. Einer von uns hatte über uns schon eine dieser iranischen Aufklärungsdrohnen entdeckt. Die Drohnen liefern den Jets die Koordinaten für ihre nächsten Ziele. Ich habe die Toten gezählt, es waren 71 Frauen, 74 Kinder und 79 Männer. Um 13 Uhr haben wir diejenigen, die wir identifiziert hatten, auf dem Friedhof in Massengräbern beerdigt. Dabei fiel jemandem auf, dass ein kleines Mädchen noch atmete, sie war vielleicht acht Jahre alt und begann plötzlich wieder zu atmen. Sie wurde zurück in unsere Klinik getragen, wo sie dann aber leider starb.

3
Ain Tarma, östliches Damaskus, 20 000 Einwohner, Ahmed Lila, 24 Jahre,
Apotheker:

Ich hatte in dieser Nacht in unserem Labor gearbeitet. Ich untersuchte Proben unseres Trinkwassers. Die Ärzte hatten mich darum gebeten, weil sich seit drei Tagen die Fälle von extremem Durchfall und Fieber häufen. Wir haben den Verdacht, dass Assads Truppen mit Bakterien versetzte Lösungen in die Trinkwasserleitungen mischen. Bei uns und in Jobar sind 200 Menschen erkrankt. Es war gegen 2.30 Uhr, da bekam ich über mein Walkie-Talkie die Nachricht, dass wir mit Gasraketen beschossen worden waren. Zwischen 2.15 und 2.30 Uhr sollen insgesamt zwölf Raketen mit Giftgas in unserem Dorf eingeschlagen sein. Wir haben seit 18 Monaten kein Telefon und kein Handynetz mehr, es läuft alles nur noch über Walkie-Talkie. Ich habe mich auf den Weg zum Feldlazarett gemacht. Wir nennen es "Queens". Überall lagen Leute mit Muskelkrämpfen auf dem Boden. Ich werde nie den Anblick eines Vaters vergessen, der seine beiden toten Kleinkinder in die Klinik trug. Sie waren nur wenige Monate alt, Zwillinge. Nie, nie werde ich in meinem Leben dieses Bild vergessen.

Wir haben in Ain Tarma jetzt kein Atropin mehr. Seit November letzten Jahres sind wir wie abgeschnürt. Die Assad-Posten lassen nur Menschen ohne Gepäck rein.

Ich bin der Leiter einer Projektgruppe, die wir vor drei Monaten eingerichtet haben, um uns auf Giftgasangriffe vorzubereiten. Für fünf Millionen syrische Pfund bauten wir eine Werkstatt im Untergrund auf. Aber dann wurde sie bei einem Jetangriff zerbombt.Wir experimentieren. Wir basteln Gasmasken. Wir bauen Mundstücke aus Metall, die wir mit Schichten verschiedener Substanzen füllen, Holzkohle etwa, Kalziumkarbonat. Irgendwas, was das Gas absorbiert. Ich glaube fest, Assad wird es wieder machen.

2
Samalka, Mohammed, 27, Parfüm- händler, Medienaktivist der Rebellen:

Es war gegen 2 Uhr morgens, ich kam nach Hause, dann hörte ich das Geräusch von Explosionen. Erst dachte ich, das ist der übliche Beschuss. Aber der Klang war anders, heller, ein bisschen so, wie wenn ein mit Wasser gefüllter Ballon zerplatzt. Ich lebe mit zwei Krankenpflegern zusammen. Wir sind zu Fuß dorthin, die Klinik liegt in einem Keller nicht weit von unserer Wohnung. Da waren Hunderte Menschen. Die Leute schrien durcheinander. Autos fuhren vor und brachten immer wieder neue Tote und Verletzte. Die Wagen standen manchmal in Schlangen vor der Klinik, so viele waren es. Ich habe in den ersten Minuten gefilmt, aber dann die Kamera weggelegt und dabei geholfen, die Menschen von draußen hineinzutragen, aber nach einer Stunde ging es mir selber sehr schlecht. Von den Krankenpflegern in Samalka starben drei. Das Gas überträgt sich von den Patienten auf das Personal. Wir haben all unsere Atropin-Vorräte verbraucht. Wir hatten in den drei improvisierten Kliniken in Samalka 3000 Atropin-Ampullen. An diesem Morgen haben wir sie verbraucht. Die Leute haben dann damit begonnen, Autoreifen auf den Straßen zu verbrennen. Irgendwer hatte ihnen gesagt, der Rauch helfe gegen das Gas. Ich weiß nicht, ob es hilft. Irgendwann habe ich mich so schlecht gefühlt, so schwindelig, dass ich mit anderen raus bin aus der Stadt auf die Felder, die Samalka umgeben. Dort haben wir dann abgewartet. Der Effekt des Gases verschwand mit dem Sonnenaufgang. Offenbar hat die Sonne das Gas verdampft.

Wenige Stunden nach diesem Gespräch wird Mohammeds Haus von einer Fliegerbombe getroffen, die obersten zwei Stockwerke werden zerstört. Im ersten Stock fallen Deckenputz und Möbel auf ihn herab. Ein Holzsplitter durchbohrt die Hand von einem der beiden Krankenpfleger. Die Assad-Truppen haben seit dem Chemieangriff den Beschuss dramatisch verstärkt, sagt Mohammed. Früher seien weniger als 100 Granaten am Tag in den Ort gefeuert worden, jetzt seien es bis zu 600. Mohammed schläft in der Klinik, neben den Giftgasverletzten, und sucht jetzt eine Wohnung außerhalb von Samalka.

5
Muadhamija, 11 000 Einwohner, west- liches Damaskus, von allen Seiten be- lagert,
Ahmed, 33, von Beruf Schneider:

Wir haben jetzt sehr schweren Beschuss hier. So heftig war es noch nie. Assad will uns jetzt holen. Deswegen hat er uns auch mit Giftgas beschossen. Unser Dorf wurde am Mittwoch um 6 Uhr morgens von sieben Raketen getroffen.

Er kappt die Verbindung. Eine Granate schlägt auf der Straßenseite gegenüber ein. Eine halbe Stunde später meldet sich Ahmed wieder. Er schickt ein Video, das einen älteren Mann zeigt, getötet von der Granate Minuten zuvor; aus seinem Schädel quillt das Gehirn.

Ich habe den Toten gefilmt und bin jetzt 500 Meter die Straße hinaufgerannt, es ist jetzt o.k. hier, lasst uns weitermachen, was hab ich eben erzählt? Also, uns haben sieben Giftgasraketen getroffen. Ich war zu Hause bei meiner Familie, als es passierte. Die jungen Männer unter uns sind raus auf die Straße, uns tränten sofort die Augen, dann haben wir in der Entfernung Menschen auf der Straße gesehen, wie sie schrien und jammerten. Einer von uns brach zusammen. Halt, habe ich gesagt, das ist Giftgas, wir müssen zurück. Wir sind in die Wohnung, haben Tücher mit Wasser getränkt, Zwiebeln und Essig hineingerieben.

Wir sind wieder raus und sahen die ersten Menschen auf der Straße liegen. Das war eine Gruppe von vier Jungen. Ich habe gedacht, die sind tot, wir haben sie auf Blut abgesucht, aber da war kein Blut, da war Schaum vor ihren Mündern. Die lebten noch. Sie haben gekeucht. Das waren vier Sanitäter, die sich wie wir auf den Weg zur Klinik gemacht hatten, um zu helfen. Aber sie hatten nicht an Masken gedacht. 200 Meter haben wir sie getragen, dann hielt ein Minibus. Da waren aber schon andere Verletzte drin, 15 Menschen, einige von ihnen waren bereits gestorben, andere lebten noch. Wir haben unsere Verletzten irgendwie da hineingepackt.

Wir suchten dann in den Häusern nach Überlebenden. Ich glaube, dass die Menschen, die überlebten, wach waren, als die Raketen einschlugen. Die, die schliefen, starben. Gegen 7 Uhr konnten wir nicht mehr. Es gibt bei uns nur eine Klinik. Stundenlang halfen wir Verletzten dorthin. In unserem Dorf sind über 60 Menschen gestorben, und 550 wurden verletzt. 14 wurden in den zwei Tagen seitdem von der Artillerie getötet und 30 verletzt.

Am Tag vor den Chemieangriffen haben wir bemerkt, dass die Einwohner der schiitischen Dörfer ihre Orte verließen. Von dort aus belagert die Assad-Armee uns. Wir haben uns nicht viel dabei gedacht, aber jetzt ergibt das einen Sinn. Sie wussten, was mit uns passieren würde.

Wir leben hier nur auf vier Quadratkilometern, ringsherum ist die Assad-Armee. Ich verstehe nicht, warum viele im Westen glauben, wir, die Rebellen, hätten Chemiewaffen. Wenn wir hier welche hätten, hätten wir doch die schiitischen Dörfer damit nicht beschossen und nicht unser kleines Dorf! Das wäre doch ganz verrückt!

DIE ZEIT

courtesy of webmatter.de

 
Fehler | HGPADREORG

Fehler

Fehlermeldung

  • Warning: Cannot modify header information - headers already sent by (output started at /home/www/21/93/hshgpado/drupal/includes/common.inc:2565) in drupal_send_headers() (Zeile 1039 von /home/www/21/93/hshgpado/drupal/includes/bootstrap.inc).
  • SearchApiException: Unknown or invalid item type node. in search_api_get_datasource_controller() (Zeile 1677 von /home/www/21/93/hshgpado/drupal/modules/search_api/search_api.module).
Auf der Website ist ein unvorhergesehener Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es später nochmal.