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THEO BAHR THESENANSCHLAG DEKT

1. Vergesst die Kirche! Stellt euch das Christentum wieder als eine Bewegung vor, eine Gottesvolkbewegung auf einem gemeinsamen Weg. Hier preschen einige vor, andere halten Abstand, manche schlurfen, wieder andere treten sich auf die Füße. Nur zuschauen gilt nicht. Kritik an der Organisation – an Kirchenparlamenten, Kirchenverwaltung, Kirchenrepräsentanten – ist wichtig. Doch die stete Forderung, was "die Kirche" zu tun und zu lassen habe, darf keine Ausrede dafür sein, sich selbst nicht zu rühren.

2. Macht Platz für das Evangelium! Reformation ist eine Aufräumaktion. Denn in der Kirche sammelt sich schnell Gerümpel an. Gummibäume in der Sakristei und jede Menge geistige Überbleibsel: Gedankenträgheit, Besitzstandswahrung, Ausreden nach dem Motto "Das haben wir schon immer so gemacht". Weil man immer wieder neu aufräumen muss, ist die Reformation eine Aufgabe und kein historisches Datum. Ecclesia semper reformanda. Der Funke der Erneuerung des Christentums, um die es Martin Luther ging, entzündet sich an der Deutung des christlichen Glaubens. Um sie müssen wir ringen und nicht darum, wie "zeitgemäß" Kirche ist. Die Richtung dieser großen geistlichen Aufräumaktion ist in dem Wort "Buße" vorgegeben. Buße heißt Umkehr zum Wesentlichen.

3. Habt Mut zur Theologie! Lassen wir das religiöse Geraune. Mit Floskeln verraten wir den reformatorischen Impuls genauso wie durch die verschwurbelte Forderung nach mehr "auratischen Räumen", nach "Orten des Unverfügbaren" oder nach der "Inszenierung des Göttlichen", wie die Religionsästhetiker in den Feuilletons das gern nennen. Mit solchen Worten werben auch Krankenkassen. Es ist an der Zeit, die theologischen Gehalte des Christentums neu zu entdecken. Wie kann man heute von Sünde reden? Wird es nicht Zeit, das Jüngste Gericht mal wieder gegenüber all den medialen Weltgerichten in Stellung zu bringen? Wie können wir im grassierenden Gesundheitswahn von Heil reden? Theologie ist Unterscheidungswissen. Sie hilft, die Welt und sich selbst anders zu sehen.

4. Redet Klartext! Klar und deutlich soll die Sprache der Christinnen und Christen sein, fordert die Reformation. Deshalb hat Luther "dem Volk aufs Maul geschaut", als er die Bibel übersetzte. Heute ist der Kirchensound für viele das neue Latein. Wir hören es in öffentlichen Verlautbarungen genauso wie in Predigten, die sich hinter Klischees verstecken. Gottes Wort hautnah und packend? Fragen wir doch die frechen Dichter und die skrupulösen Übersetzer um Rat. Wir brauchen neue Versuche, den Glauben auszulegen. Das heißt nicht, dass wir das Weltkulturerbe der alten Texte geringschätzen. Aber die alten Bekenntnisse, Texte und Lieder sind keine Goldschnittklassiker. Sie sollen Überlebenstexte bleiben.

5. Christentum kommt von Christus! Schluss mit der kuschelweichen Transzendenz-Rhetorik. Die Bewegung, die in der Verkündigung des Jesus von Nazareth ihren Ausgang nahm, hat nicht den Gott der Philosophen mit den Taschenamuletten der Zeit gekreuzt, hat nicht die griechische Antike mit heidnischer Volksfrömmigkeit kombiniert. Die frühe Kirche bekannte sich zu Jesus Christus als dem einen Bild Gottes. Das ist der bleibende Skandal des christlichen Glaubens: dass der Schöpfer der Welt seine Erhabenheit nicht in Glanz und Gloria demonstriert, sondern sich in einem blutenden Menschen zeigt, der schreit: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!" Vor dem Kreuz verblasst aller Glamour des Glaubens. In der Hoffnung auf die Auferstehung gehen wir über Grenzen der Sprache und des Verstehens hinaus.

6. Lebt allein aus der Gnade, allein aus dem Glauben! "Wie kriege ich einen gnädigen Gott?", fragt Martin Luther. Wir heute fragen nur noch, wie wir unsere Mitmenschen gnädig stimmen. Wir versuchen dem strengen Urteil über unsere eigene Person zu entgehen, aber sind gnadenlos im Urteil über andere. Die medialen Skandalisierungsmaschinen der Gegenwart sind unerbittlicher als die mittelalterliche Kirche mit ihren Strafandrohungen. Der Pranger wird neuerdings in elektronischer Form wieder eingeführt. Und sogar das eigene Spiegelbild schaut uns morgens gnadenlos kritisch an: Zu dick und zu alt, lautet das Urteil. Und je strenger die Urteile über uns selbst, desto perfekter auch unsere Strategien der Selbstrechtfertigung. Wir können nicht glauben, dass Menschen ohne Ansehen ihrer Leistung, ohne innere und äußere Konkurrenzfähigkeit, ohne bestechende Performance geliebt und gewürdigt werden können. Anmut und Achtung sind längst Teil desselben korrupten Geschäftsmodells. Doch der christliche Glaube kann uns aus diesem Korruptionskreislauf befreien. Vor Gott sind wir "ohn’ alles Verdienst" gerechtfertigt. Durch Gott sind wir noch im Scheitern "aufgerichtet". Wenn diese Botschaft ankommt, dann kann der christliche Glaube alles, sogar unser Selbstbild, verändern.

7. Versteckt eure Zweifel nicht! Wer die Erneuerer des Christentums studiert, die es seit Anbeginn der Christenheit gibt, der entdeckt schnell, dass die Reformatoren nie selbstgewisse Führungsgestalten waren. Viele, auch die, die es in die Legendenbücher und auf die Heldensockel geschafft haben, waren voller Zweifel. Sie kannten die innere Anfechtung, sie lebten mit äußeren Widersprüchen, sie hatten schlaflose Nächte, weil sie sich ihrer Mission nicht sicher waren. Es ist nun an der Zeit, den Zweifel und das Zaudern als Kraft des Glaubens zu rehabilitieren. Erst der Zweifel macht offen für kritische Anfragen. Er zwingt uns zur Nachdenklichkeit und nötigt zur Freundschaft. Die Erneuerung, die aus dem Zweifel erwächst, fegt nicht im tempo furioso alle Hindernisse fort. Sie kommt aus der Stille und dem Zögern, aus der Vergewisserung durch Gespräche und aus dem Gebet. Und manchmal weiß der Betende nicht, ob er einen Adressaten findet.

8. Vergesst das Denken nicht! Wissenwollen und rastlose Neugier vertragen sich mit Glauben. Der Protestantismus ist eine Bewegung des Selberdenkens. Deshalb ist es fahrlässig, den Knoten zwischen dem Glauben der Kirche und den Wissenschaften zu lösen. Das Gespräch mag manchmal beschwerlich sein. Und Intellektuelle haben einen schlechten Ruf, sie gelten als verkopft. Aber ein kopfloses Christentum, das blind den Autoritäten, der religiösen Schwarmintelligenz oder auch nur den eigenen Gefühlen vertraut, passt nicht zu einer Aufbruchbewegung, die von Anfang an eine Bildungsbewegung war.

9. Kritisiert die Bilder, und vertraut der Macht des Wortes! Wenn ein Thema in der Reformation gründlich missverstanden wurde, dann ist es der neue Umgang mit Bildern. Die Kritik an den Bildern, die Luther und die anderen Reformatoren in unterschiedlicher Intensität vortrugen, hat nichts mit Lust- und Sinnenfeindlichkeit zu tun. Das Gerücht hält sich hartnäckig. Doch als Luther die Bilder tiefer hängte, formulierte er eine Kritik aus dem Geiste des Christentums, die im Zeitalter der Allgegenwart der Bilder aktueller ist denn je. Nehmt die Bilder als das, was sie sind, als Inszenierungen, die täuschen und bannen zugleich. Religiöse Bildkritik ist nicht bilderfeindlich, sondern aufklärerisch. Sie nimmt nicht nur die religiöse Bildproduktion ins Visier. Heute ist der Einspruch gegen die Macht der Bilder auch eine Kritik der bildgebenden Verfahren in der Medizin und der optischen Kriegsführung im Internet. Die mächtigste Bildkritik kommt in der Gegenwart übrigens aus den Künsten. Hier warten Bündnispartner!

10. Glaubt nicht den Soziologen! Ihre Religionsdiagnose vom Schwinden des Christentums muss euch nicht Bange machen. Denn sie ist keine Prophetie und auch keine Verfallsgeschichte. Sie hilft uns nur, die Gegenwart besser zu verstehen.

11. Feiert Gottesdienste! Entdeckt das Gotteslob neu. Christen und Christinnen sind nicht in erster Linie Moralaktivisten. Sie outen sich als die seelisch Armen, als die Ratlosen, die auf Zuspruch angewiesen sind. Ein Gottesdienst ist nicht immer perfekt. Aber geben wir doch die kritische Rezensentenhaltung mal probeweise auf. In der Feier mit Brot und Wein, in den gemeinsamen Liedern und in Predigten, die die politisch korrekten Komfortzonen verlassen, erwächst eine große Kraft. Traut den alten Liturgien. Wie schön ist es, wenn Menschen aus Bayern sich in einem Gottesdienst in Rostock sofort zu Hause fühlen. Wo die Linie klar ist, dort ist auch Platz für Experimente. Dort kann die Kirche auch mal richtig gerockt werden.

12. Feiert Gottesdienst im Alltag der Welt! Der christliche Glaube findet nicht nur sonntags statt. Er hat nicht nur den einen Tag der Woche abonniert. Er ist eine Lebensform und drängt hinaus in die Welt. Christentum kann sich seinen Platz zwischen Küche und Büro, Kanzlei und Praxis suchen, ohne stündliche Bekenntnisse zu fordern. Wer sich innerlich von Gott gehalten fühlt, kann in den Grauzonen des Alltags, wo nicht feststeht, was christlich ist, bestehen. Diese Haltung ebenso wie die innere Freiheit der Christen ist immer dann gefragt, wenn Sachzwänge und Entscheidungsdruck herrschen, wenn es angeblich keine Alternativen gibt. Im Alltag erlebt auch der Christ statt Orgelmusik nörgelnde Teenager, lausige Mandanten oder ungerechte Chefs. Aber gerade in solchen Situationen kann man als Christ zeigen, dass das Christentum nicht von den Geistlichen, sondern von allen Gläubigen gelebt und tradiert wird.

13. Wir sind nicht die besseren Politikversteher und können die Welt nicht retten! Wo immer wir diesen Eindruck erwecken, ist das geistlicher Hochmut. Natürlich dürfen Christinnen und Christen sich selber nie genug sein. Wir sollen trösten, wir wollen helfen und, wo es nötig ist, auch kritische Fragen stellen. Aber hüten wir uns vor religiösen Parteitagsprogrammen. Wir sind nicht der Kitt der Gesellschaft und keine Bundeswerteagentur. Nein, wir glauben partout nicht, dass die Welt so bleiben muss, wie sie ist. Eins steht fest: Auch eine Kirche der wenigen will zu den vielen. Wie wenige oder wie viele wir sind, ist nicht so entscheidend wie unser Mut, immer wieder umzukehren zu den Quellen des christlichen Glaubens. "Wir sollen Menschen sein und nicht Gott. Das ist das ganze Evangelium." So kurz kann es gehen bei Martin Luther. Aus dem Geist dieser Unterscheidung kann vieles anders werden. Nicht nur in der Kirche.

14. Feiert das Reformationsjubiläum! Seit die Reformation vor fast 500 Jahren ihren Anfang nahm, haben sich jede Menge Mythen und Legenden gebildet. Nein, die 95 Thesen wurden nicht von Martin Luther mit dem Hammer ans Kirchentor geschlagen, und der Reformator selbst war zu seiner Zeit keine nationale Ikone, das wurde er erst viel später. An den deutschen Erinnerungsorten des Protestantismus ist heute viel Platz für Korrektur, aber auch für neue Entdeckungen. Nutzen wir diesen Platz! Wir Menschen brauchen runde Feiertage und geschichtsträchtige Orte. Nur wer sich erinnert, hat auch Zukunft. Nur wer weiß, woher er kommt, weiß auch, wer er ist. Und nur wer feiert, kann auch im Alltag bestehen, ohne missmutig zu werden.

PETRA BAHR
EKD

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