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KATHOLICA UEBER GRIFFE!
Missbrauchsfall in Riekofen
"Der Bischof muss hart bestraft werden"
Johannes Heibel leitet eine Anti-Missbrauchs-Initiative. Für
ihn hat die Kirche die Wahrheit über den pädophilen
Priester bewusst vertuscht und sich dabei auch noch von der
Staatsanwaltschaft helfen lassen. Interview:
Rudolf Neumaier
Der
Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller will sich vorerst
nicht über den offenbar pädophilen Priester äußern,
der wegen sexuellen Missbrauchs von Ministranten in
Untersuchungshaft sitzt. Auch sein Generalvikar schweigt.
Müller
hatte den 39-Jährigen in der Gemeinde Riekofen bei Regensburg
eingesetzt, obwohl sich der Mann bereits vor acht Jahren an einem
Buben vergangen hatte. Müller ließ lediglich mitteilen,
die Gemeinde habe einen neuen Seelsorger.
Für Johannes
Heibel, 51, den Vorsitzenden der Initiative gegen Gewalt und
sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, wirft der Fall
einige Fragen auf.
SZ: Ein Pfarrer vergeht sich
an einem Jungen. Und ein paar Jahre später bekommt er wieder
eine Seelsorgestelle zugeteilt. Wie beurteilen Sie das?
Johannes
Heibel: Das Interessante ist zunächst, dass der
vorhergehende Fall nur durch Zufall publik wurde. Der Priester kam
im Jahr 2000 mit einem Strafbefehl ohne öffentliche
Verhandlung davon. Für mich sieht das so aus, dass die
Vertuschungspolitik der Kirche von der Staatsanwaltschaft gedeckt
wurde. Wäre der Täter zum Beispiel ein einfacher
Arbeiter gewesen und kein Pfarrer, dann wäre die Justiz
sicher anders vorgegangen.
SZ: Glauben Sie an Absprachen zwischen Kirche und
Justiz?
Heibel: Die Macht der Kirche in Bezug auf
unser Rechtssystem ist nicht von der Hand zu weisen. Dafür
gibt es auch Beispiele aus anderen Bundesländern. Aber so ein
Fall ist doch kein Kavaliersdelikt, den man unter der Hand regeln
kann! Ich fordere, dass bei solchen Vergehen ein öffentlicher
Prozess zum Standard wird.
SZ: Geben Sie dem
Regensburger Bischof Müller eine Mitschuld am Missbrauchsfall
von Riekofen?
Heibel: Wenn sich die Vorwürfe
bestätigen, trägt er die ganze Verantwortung. Der
Bischof hätte sich dann in gleichem Maße schuldig
gemacht wie der Täter. Eigentlich müsste er umgehend vom
Papst zur Rechenschaft gezogen werden. Der Bischof muss nach
meiner Ansicht eine genauso harte Strafe erhalten wie der
pädophile Priester.
SZ: Nun beruft sich aber der Bischof auf ein Gutachten,
wonach Pfarrer Peter K. als nicht pädophil und als therapiert
eingestuft wurde.
Heibel: Unter Fachleuten ist es
unumstritten, dass Pädophilie eine sexuelle Neigung ist, die
sich nicht therapieren lässt. Ein seriöser Gutachter
würde sich in so einem Fall kaum so weit aus dem Fenster
lehnen zu sagen, dieser Pfarrer sei ungefährlich. Wenn ein
Mensch einmal diese Grenze überschritten hat, kann man das
Risiko nicht mehr herunterschrauben, das von ihm ausgeht. Gerade
bei Pfarrern muss ebenso wie bei Ärzten und Therapeuten ein
besonders hoher Maßstab angelegt werden.
SZ:
Wie würden Sie mit dem Priester verfahren?
Heibel:
Ich gehe nicht so weit wie Jesus Christus, der im
Matthäus-Evangelium sagt, wer einem Kind Schaden zufüge,
müsse mit einem Mühlstein am Hals im Meer versenkt
werden. Es reicht, wenn sie von der Kirche dazu gezwungen werden,
ihren Dienst als Priester zu quittieren. Wenn die
Bischofskonferenz Leitlinien zum Umgang mit pädophilen
Geistlichen verabschiedet und dann, wie soeben in Riekofen
geschehen, einfach ignoriert, steht die Glaubwürdigkeit und
die Zukunft der Kirche auf dem Spiel. Wenn sie nicht reagiert,
läutet sie ihren eigenen Untergang ein.
SZ: Sie
kommen häufig mit Opfern sexueller Übergriffe in
Kontakt. Wie leben diese Menschen mit ihren Erlebnissen?
Heibel:
Viele leiden ein Leben lang darunter. Und wenn sie mitbekommen,
dass der Täter weitermachen darf, als wäre nichts
geschehen, kommen solche Erlebnisse wieder hoch. Sexueller
Missbrauch, begangen von einem Pfarrer, richtet oft noch einen
größeren seelischen Schaden an als sexuelle Gewalt vom
eigenen Vater. Die Opfer von Priestern sind ja in der Regel
Gläubige, meistens Ministranten - und weil Geistliche für
diese Leute nicht nur Vorbilder und Vertrauenspersonen sind,
sondern auch Vertreter Gottes auf Erden, kann bei den Opfern die
ganze auf den Glauben fixierte Persönlichkeit zerstört
werden.
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von Riekofen fühlen sich getäuscht mehr...
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SZ: Gibt es statistische
Erhebungen über sexuelle Übergriffe von
Priestern?
Heibel: Seit der Veröffentlichung
der Leitlinien im Jahr 2002 ist die Kirche nicht offener geworden.
Vermutet wird, dass drei bis fünf Prozent aller Pfarrer zu
sexueller Gewalt gegenüber Schutzbefohlenen neigen.
SZ:
Wie helfen Sie Opfern?
Heibel: Wir geben Beistand,
denn die Kirche arbeitet mit allen Tricks, damit kein Staub
aufgewirbelt wird. Wir vermitteln mit unserer 15 Jahre langen
Erfahrung geeignete Therapeuten und unterstützen sie in
juristischen Fragen.
Missbrauchsvorwurf gegen Pfarrer
Bürger von Riekofen fühlen sich getäuscht
Er war der nette Pfarrer von nebenan: Doch dann wird bekannt,
dass der katholischen Pfarrer von Riekofen, der wegen sexuellen
Kindesmissbrauchs vorbestraft ist, sich wieder an einem Kind
vergangen haben soll. Jetzt machen die Gemeindemitglieder dem
Ordinariat schwere Vorwürfe. Von
Matthias Köpf
Die
Menschen sitzen in den Bänken und warten. Ein paar Ältere
sind schon dagewesen, bevor die Glocke um dreiviertel Sieben zum
Vorabendgottesdienst in die Pfarrkirche von Riekofen gerufen hat.
Ministrantinnen stehen hinter einer Glastür und tuscheln, die
älteren Mädchen mahnen zur Ruhe.
Für einen
Vorabendgottesdienst ist die Kirche mit 80 Leuten ziemlich voll.
Sie alle wissen, dass ihr Pfarrer zwei Tage zuvor wegen des
sexuellen Missbrauchs Minderjähriger verhaftet wurde. Jetzt
sitzen sie mit ihren Fragen in der Kirche und hoffen, dass sie vom
Bischof eine Antwort bekommen. Eine Antwort auf die Frage, wie es
dazu kommen konnte.
Dann kommt mit einigen Minuten
Verspätung Innocent Nwokenna, ein Theologieprofessor aus
Nigeria, der an diesem Samstagabend seinen ersten Gottesdienst in
Riekofen feiert. Die neun Messdiener stellen sich vor ihm auf, in
der zweiten Reihe gehen zwei Buben, die anderen sind Mädchen.
Nwokenna ist schon der zweite Geistliche, den ihnen das
Regensburger Ordinariat als Vertreter für Pfarrer Peter K.
geschickt hat.
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culpa auf amerikanisch mehr...
Der ist am Donnerstag an einem bislang
unbekannten Ort festgenommen worden, weil er sich zwischen 2003
und 2006 an Ministranten vergangen haben soll. In der
800-Seelen-Gemeinde im Landkreis Regensburg haben sie ihren
Pfarrer aber schon nicht mehr gesehen, seit vor einem Monat
bekannt wurde, dass er vor acht Jahren als Kaplan in Niederbayern
zwei Buben missbraucht hatte.
Ins Kino und zum Baden
Der Vater der damaligen Opfer hat vor wenigen Wochen erfahren,
dass der im Jahr 2000 zu zwölf Monaten Haft auf Bewährung
verurteilte Geistliche 2004 zum Pfarradministrator von Riekofen
bestellt worden war, nachdem er als Altenheim-Seelsorger im nahen
Sünching schon viele Monate Vertretungsdienst in der
verwaisten Pfarrei Riekofen gemacht hatte.
Seither hatte
dieser Vater E-Mails geschrieben, nach Riekofen, nach Regensburg
und an einige Medien in der Umgebung. Die Mails haben sie erst
nicht recht glauben wollen in Riekofen, und die
Pfarrgemeinderatsvorsitzende Rosmarie Meßner sagt, dass
diese Nachrichten "schon auch ein bisschen einen verwirrten
Eindruck gemacht" hätten.
Schließlich sind
doch einige Mitglieder des Pfarrgemeinderates zusammen mit
Bürgermeister Armin Gerl und dem Pfarrer zur Aussprache nach
Regensburg ins Ordinariat gefahren. Dort sei von einem einmaligen
Fehltritt die Rede gewesen, von abgelaufener Bewährungszeit,
erfolgreicher Therapie und positiven Gutachten.
"Sehr, sehr gern gehabt"
Sie haben es geglaubt, weil sie ihren Pfarrer "sehr,
sehr gern gehabt haben", sagt Rosmarie Meßner einen
Monat später. Und egal, ob Trauung, Beerdigung oder ein
gewöhnlicher Sonntag: Er sei ein hervorragender Pfarrer
gewesen, da sind sich die Riekofener einig. Am 8. August
organisierten sie einen Vortrag für die Eltern der
Ministranten mit einer Psychologin, die sich an einem weiteren
Nachmittag auch noch mit den Buben zusammensetzte.
Der 39
Jahre alte Pfarrer soll Anfang August schon auf der
Intensivstation eines Regensburger Krankenhauses gelegen sein, ehe
er verschwand. Dann kamen die Spezialisten von der Kriminalpolizei
für einige Tage nach Riekofen und befragten die Buben.
An
den Mädchen soll K. immer ein bisschen weniger Interesse
gezeigt haben als an den männlichen Ministranten. Mit denen
ist der Pfarrer auch gern privat zum Baden gefahren oder ins Kino
nach Regensburg. Zur Belohnung, heißt es. Bei den
gemeinsamen Busausflügen nach Hamburg oder in den
Freizeitpark nach Rust seien immer Eltern dabeigewesen, betont
Meßner, aber keineswegs aus Misstrauen.
Zusammen mit
der Nachbargemeinde Schönach wohnen gut 2.000 Leute im
Sprengel des Riekofener Pfarrers, insgesamt gibt es 80
Ministranten. Jüngere Eltern, die ihren Namen lieber nicht
nennen wollen, sprechen von anderen Freizeitaktivitäten des
Pfarrers und seiner Lieblings-Ministranten. Zuletzt habe es ein
bisschen Ärger gegeben, weil der Pfarrer einzelnen Buben im
Keller des Pfarrhauses häufiger Rotwein verabreicht und mit
ihnen Wasserpfeife geraucht habe.
Einmal zur Rede gestellt
habe er zwar Besserung gelobt, viel geändert habe sich aber
nicht. Aber sexueller Missbrauch? "Wir hätten es sicher
anders eingeordnet, wenn das Ordinariat uns was erzählt
hätte‘‘, sagt eine Mutter. Auch Rosmarie Meßner
sieht "einen großen Teil der Schuld beim Ordinariat‘‘
in Regensburg. Bischof Gerhard Ludwig Müller hätte
keinen verurteilten Päderasten in ihre Pfarrei schicken
dürfen, sagen Meßner und Bürgermeister Armin Gerl.
"Regelrecht getäuscht hat uns das Ordinariat‘‘,
legt Gerl nach. Generalvikar Michael Fuchs hätte ein Auge auf
den Pfarrer haben müssen. Sonst erfahre der Bischof, der so
viel Wert auf Disziplin lege, ja auch immer alles, was ein Pfarrer
tue oder lasse, kritisiert eine junge Frau. Das Riekofener
Pfarrhaus, das die Gemeinde vor zwei Jahren für ihren neuen
Pfarrer baute, ist verwaist.
Die Wohnung für die Haushälterin blieb auf Wunsch des
Pfarrers leer. Innocent Nwokenna wohnt im alten Pfarrhof in
Schönach. Er kommt verspätet zur Vorabendmesse, weil er
auf das Fax des Bischofs warten musste. Nach der Kommunion faltet
der nigerianische Geistliche das zweiseitige Fax aus dem
Ordinariat auseinander.
Von Betroffenheit und Verständnis
für die aufgewühlten Gefühle schreibt der Bischof,
von der Christenpflicht, sich vor vorschnellen Verurteilungen zu
hüten. Sigrid Grabmeier von der Laienbewegung "Wir sind
Kirche‘‘ fordert den Bischof auf, persönlich die
Verantwortung für die Fehler des Ordinariats zu übernehmen.
Der Vorsitzende der Initiative gegen Gewalt und sexuellen
Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, Johannes Heibel, verlangt
rechtliche Schritte auch gegen die Kirchenführung. In
Riekofen sprechen einige die Gebete für den Pfarrer mit. Für
sexuell missbrauchte Kinder wird an diesem Abend nicht gebetet.
Pädophiler Pfarrer
Bischof fühlt sich verleumdet
Weil er die Gemeinde nicht über die pädophile
Vorgeschichte ihres Pfarrers informierte, haben die Riekofener
Katholiken Bischof Müller heftig kritisiert. Jetzt dreht der
den Spieß um - und droht mit rechtlichen Schritten. Von
Rudolf Neumaier
Die
Kritiker von Gerhard Ludwig Müller haben diesen Reflex längst
erwartet. Dass er den Spieß umdrehen würde. Dass er
sich als Opfer einer Kampagne darstellen würde. Und dass er
seinen Gegnern mit rechtlichen Schritten drohen würde, obwohl
er vor nicht allzu langer Zeit selbst ein Dekret erlassen hatte,
in dem er den Katholiken seines Bistums untersagte, bei
kircheninternen Streitigkeiten weltliche Gerichte
anzurufen.
Insofern kamen die Äußerungen des
Bischofs von Regensburg für seine Kritiker keineswegs
überraschend. Im Fall des Pfarrers von Riekofen, der wegen
des Vorwurfs pädophiler Übergriffe in Untersuchungshaft
sitzt, fühlt sich Müller nun verleumdet.
Dabei war es Müller, der
dem Pfarrer Peter K. wieder eine Pfarrei übertrug, nachdem K.
im Jahr 2000 in Viechtach einen Buben sexuell missbraucht hatte
und dafür per Strafbefehl mit einer einjährigen
Haftstrafe auf Bewährung belangt worden war.
Diese
Vorgeschichte ihres Pfarrers hat das Ordinariat den Riekofenern
konsequent verschwiegen. Durch Zufall wurde sie in diesem Sommer
publik - in Riekofen kamen daraufhin neue Fälle pädophiler
Übergriffe ans Tageslicht.
Am 30. August klickten beim
Pfarrer die Handschellen. Das Bischöfliche Ordinariat
beteuert seither, es habe den heute 39 Jahre alten Dorfgeistlichen
permanent im Auge gehabt, obwohl er laut Gutachten nicht mehr
pädophil gewesen sei.
Eine Einschätzung, die nach
dem Stand der Wissenschaft als allzu wagemutig erscheint, da
Pädophilie als nicht therapierbar gilt. Regelmäßig
sei der Priester gefragt worden, ob er rückfällig
geworden sei, sagt der Bischof und gibt sich Mühe zu
vermitteln, wie wachsam er gewesen sei.
Dabei waren nach
Informationen der Süddeutschen Zeitung nicht einmal
die beiden letzten Dienstvorgesetzten von Pfarrer K. darüber
informiert, dass ihr Schützling wegen Pädophilie
straffällig geworden war. Der zuständige Dekan von
Alteglofsheim-Schierling, Anton Schober, der seit Anfang 2006 im
Amt ist, wusste nach eigenem Bekunden ebenso wenig vom
Gefahrenpotential des Priesters wie der übergeordnete
Regionaldekan, der zu einer Visitation in K.s Pfarrei nach
Riekofen kam.
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Vielmehr war Regionaldekan Johann Strunz
"sehr überrascht von dem Fall, Pfarrer K. war ja
beliebt". Also konnten die beiden Vorgesetzten auch keine
entsprechenden Fragen stellen.
Viele Riekofener glauben,
Übergriffe auf Kinder hätten sie verhindern können,
wenn sie informiert gewesen wären. Dann hätten nach
Auffassung des Pfarrgemeinderatsmitglieds Alois Kermer viel früher
die Alarmglocken geschrillt in Anbetracht der auffälligen
Verhaltensweise des Geistlichen.
"Dass er vor der
Firmung die Beichte nur den Buben abgenommen und die Mädchen
einem Kollegen überlassen hat, ist so ein Beispiel",
sagt Kermer. Erst im Nachhinein werden den Riekofenern viele Dinge
klar. Bischof Müller hat für Ende der Woche die beiden
Bürgermeister aus der Pfarrei in das Ordinariat vorgeladen.
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