RGG III - LAU
Synkretistischer
Streit
Synkretistischer Streit ist der Name für die Auseinandersetzungen zwischen den Helmstedter »Irenikern« und den kursächsischen und ostpreußischen »Zeloten«, die von 1645-86 die gesamte luth. Kirche aufs stärkste erschütterten. Gegen G. ð Calixt, K. ð Horn(ejus), J. Hildebrand und Fr. U. Calixt in ð Helmstedt, J. Latermann, Chr. ð Dreier u. a. in ð Königsberg, auch P. ð Musäus in ð Rinteln, stritten C. ð Myslenta, A. ð Calov, J. ð Weller, J. ð Hülsemann, J. ð Deutschmann, Aeg. Strauch u. a. m. Die Vorgeschichte des Streites reicht weit zurück. Schon Calixts »Disputationes de praecipuis religionis capitibus« von 1611 lösten starken Widerspruch aus. Bald begannen die Angriffe auf die »theologi moderatiores« wegen Kryptopapismus, Aufrichtung der Traditionen als Nebengrund des Glaubens, Wiederaufnahme des Satzes von der Notwendigkeit der ð guten Werke (ð Synergismus, G. ð Major), Reduktion des für den Glauben Wesentlichen auf das den 4 Hauptkirchen Gemeinsame oder auf die Lehren der ersten 5 Jh.e (consensus quinquesaecularis), auf der anderen Seite wegen calvinistischer Erklärung von Röm 9-11 und Anerkennung der Reformierten als Brüder in Christus, im ganzen auf ð Synkretismus (Religionsmengerei). Der eigentliche S. S. wurde dadurch ausgelöst, daß Calixt beim ð Thorner Religionsgespräch 1645 als Berater der Reformierten erschien. Nach einem ausgedehnten literarischen Streit formulierten die Wittenberger und Leipziger 1655 den »Consensus repetitus fidei vere Lutheranae« (ð Kromayer, Hieronymus). In einem zweiten Abschnitt des Streites (1656-75) löste der jüngere Calixt seinen Vater ab mit der Neigung, dessen Lehre zu kanonisieren. Durch den Versuch einer Religionsverständigung in Hessen und Brandenburg (Kasseler und Berliner Religionsgespräch 1661 bzw. 1662-64) zwischen Lutheranern und Reformierten verschärfte sich der Streit noch. Bes. die Neutralität ð Ernsts des Frommen und der Jenaer Theologen (J. ð Musäus) verhinderte eine wirkliche Einigkeit der Lutheraner für den Consensus. Nach Ernsts d. Fr. Tode (1675) flammte der Streit nochmals auf, um nach Calovs Tod (1686) rasch abzuebben. Ein Nachspiel sind die Kämpfe um J. ð Fabricius. - Der S. S. bildet den Höhepunkt der Lehrstrenge, des Selbstbewußtseins und der Polemik der luth. altprot. ð Orthodoxie (, 3a). Das Schicksal des Consensus repetitus bedeutete die Entscheidung, daß die luth. Kirche nicht als ganze den alten gnesioluth. Kurs halten werde. Umgekehrt war nicht Versöhnung zwischen Lutheranern und Reformierten erreicht, sondern Versteifung des Gegensatzes für weitere 100 Jahre.
& A. CALOV, Historia syncretistica, 1682 (Aktensammlung) - J. G. WALCH, Einl. in die Religionsstreitigkeiten der ev.-luth. Kirchen I, 1730, 219 ff.; IV, 1739, 666 ff. - E. L. TH. HENKE, G. Calixt u. seine Zeit I. II, 1853/60 - RE XIX, 243 ff. - RITSCHL IV, 231 ff. - H. LEUBE, Kalvinismus u. Luthertum I, 1928 - S. GÖRANSSON, Schweden u. Deutschland während der synkretist. Streitigkeiten (ARG 42, 1951, 220-242) - H. SCHÜSSLER, G. Calixt, 1961.
F. Lau
[Synkretistischer Streit, S. 1 ff. Digitale Bibliothek Band 12: Religion in Geschichte und Gegenwart, S. 31798 (vgl. RGG Bd. 6, S. 568 ff.) (c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)]