RGG III - Wilfried Joest



Synergismus

1. Der Begriff S. (von griech. synergein = zusammenwirken) bezeichnet im theologischen Gebrauch zunächst allgemein das Mitwirken des Menschen mit Gottes ð Gnade (: IV. V) zu seinem eigenen Heil, sofern dabei der Mensch als ursächlicher Faktor neben der Gnade vorgestellt wird. Die klassische Form synergistischer Heilslehre ist der Pelagianismus, die klassische Veranschaulichung das von ð Molina gebrauchte Bild von den beiden Pferden, die zusammen ein Schiff ziehen (Liberi arbitrii cum gratiae donis etc. concordia q. 23a. 4 disp. 1 membr. 6). Wie ð Augustin, so haben die Reformatoren den S. bekämpft und ihm das sola gratia und die alleinige Begründung des Heils in Gottes Gnadenwahl (ð Prädestination: III) entgegengestellt.

2. Speziell bezeichnet S. die Lehre einer bestimmten von ð Melanchthon ausgehenden Theologengruppe über den Vorgang der Bekehrung. Melanchthon stand in dem Streit zwischen ð Luther (: II, 4 f.) und ð Erasmus über die ð Willensfreiheit anfänglich ganz auf seiten Luthers (De servo arbitrio), der die Bekehrung ausschließlich auf das Wirken des erwählenden Gottes zurückführte. Bedenklich geworden wegen der psychologischen und pädagogischen Kon-

[Synergismus, S. 1. Digitale Bibliothek Band 12: Religion in Geschichte und Gegenwart, S. 31774 (vgl. RGG Bd. 6, S. 561) (c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)]


sequenzen, die ihm zum Fatalismus zu drängen schienen, näherte er sich später der Auffassung des Erasmus. Er sprach jetzt von drei Faktoren, die im Geschehen der Bekehrung zusammenwirken: das zum Heil berufende Wort, der zum Glauben bewegende Geist, das Ja des menschlichen Willens zum Wort und zu dem Bewegen des Geistes. Dabei blieb in der Schwebe, ob nur gesagt sein sollte, daß die Gnade den Menschen zwar allein zum Heil bewegt, jedoch so, daß sie darin sein eigenes Ja erweckt; oder ob der annehmende Wille ein zum Bewegen der Gnade hinzu- und ihm entgegenkommender Faktor ist. Die Terminologie der drei »Ursachen« deutete in die letztere Richtung, und so wurde Melanchthons Bekehrungslehre auch von seinen Schülern Joh. ð Pfeffinger (De libertate voluntatis, 1555) und V. ð Strigel verstanden und vertreten. Die Gnesiolutheraner unter Führung von ð Flacius erhoben gegen diesen neuen »S.« erbitterten Einspruch. Höhepunkt des synergistischen Streites war die Weimarer Disputation zwischen Flacius und Strigel 1560. Hier vertrat Flacius die Gegenthese: der Mensch verhalte sich in seiner Bekehrung wie ein Holzklotz und Stein, ja schlimmer als diese, da er als Sünder nur seinen Widerstand gegen Gott mit herzubringe. Die Gnade bekehre nicht einen Wollenden, sondern einen Widerstrebenden. Die ð Konkordienformel hat in Art. II De lib. arbi-

[Synergismus, S. 2. Digitale Bibliothek Band 12: Religion in Geschichte und Gegenwart, S. 31775 (vgl. RGG Bd. 6, S. 561) (c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)]


trio der Sache nach gegen den S. des menschlichen Willens in der Bekehrung entschieden, lehnte aber die flacianische Terminologie von truncus et lapis als inadäquat ab.

3. Hinter diesem Streit wie der Frage des S. überhaupt steht das Problem, wie im Heilsgeschehen die Alleinwirksamkeit der Gottesgnade mit der Personalität des Menschen zusammengesehen werden kann. Eine rationalisierte Lösung dürfte hier überhaupt nicht möglich sein, weder nach der Seite des Determinismus, der die Personalität des Menschen aufhebt (so Flacius mindestens in seiner Terminologie), noch nach der eines S., der sie als bewirkenden Faktor neben der Gnade ansetzt. Es muß festgehalten werden, daß es in Gottes Gnadenwirken allein begründet ist, wenn der Mensch zum Glauben und zum Heil kommt. Mit diesem Nein zum S. darf jedoch nicht ausgeschlossen werden: a) daß zwar nicht der Glaube und das Heil, wohl aber der Unglaube und das Verderben des Menschen in der Tat in ihm selbst begründet ist (aus dem sola gratia sollte nicht die logisch sich nahelegende deterministische Konsequenz der doppelten Prädestination gezogen werden); b) daß der Mensch durch das Gnadenwirken Gottes und in ihm zu einer eigenen Glaubenszustimmung und dann auch zu einem eigenen Glaubenswirken bewegt wird (aus dem sola gratia darf nicht die quietistische Konse-

[Synergismus, S. 3. Digitale Bibliothek Band 12: Religion in Geschichte und Gegenwart, S. 31776 (vgl. RGG Bd. 6, S. 561-562) (c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)]


quenz gezogen werden, in der der Mensch als ein bloßes Objekt von Maßnahmen Gottes erscheint). Jedoch ist hier nicht von einem Mitwirken des Menschen mit der Gnade, sondern besser von seinem Inwirken im Wirken Gottes zu reden.


& RE XIX, 229 ff. - RITSCHL II, 284 ff. 423 ff. - H. E. WEBER, Reformation, Orthodoxie u. Rationalismus I/1, 1937, 151 ff. - R. BRING, Das Verhältnis von Glauben u. Werken in d. luth. Theol., 1955, 64 ff.

W. Joest

[Synergismus, S. 4. Digitale Bibliothek Band 12: Religion in Geschichte und Gegenwart, S. 31777 (vgl. RGG Bd. 6, S. 562) (c) J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)]