DIVORCING IN A LIFETIME INTERVIEW LAURA WASSER
Wasser: Seien Sie rücksichtsvoll. Seien Sie nett zueinander. Was ich an Matt zum Beispiel liebe: Er sagt mir ständig, wie wunderschön er mich findet. Auch in Momenten, in denen ich weiß, dass ich nicht wunderschön aussehe. Er sagt: "Du siehst so schön aus." Und ich antworte: "So ein Scheiß." Und trotzdem finde ich es schön.
Ein Interview von Sascha Chaimowicz
ZEITmagazin Nr. 40/2017 28. September 2017, 11:01 Uhr
ZEITmagazin: Frau Wasser, Ihnen saßen in diesem Büro in den vergangenen Monaten Hollywood-Stars wie Angelina Jolie oder Johnny Depp gegenüber, um sich scheiden zu lassen. Wie beginnen Sie typischerweise die Unterhaltung?
Laura Wasser: Für meine Mandanten ist der erste Besuch bei mir eine surreale Erfahrung: Sie geben ihren Wagen beim Parkservice ab, fahren mit dem Aufzug in den zwölften Stock, und ihnen wird plötzlich klar, dass sie verdammt noch mal wirklich beim Scheidungsanwalt gelandet sind. Ich habe keinen typischen ersten Satz, den ich aufsage, aber immer eine Packung Taschentücher hinter mir.
ZEITmagazin: Weinen Sie mit Ihren Mandanten?
Wasser: Nein. Das wäre unprofessionell. Ich fühle mit ihnen, aber ich bin keine Therapeutin. Ich lotse sie durch eine wirtschaftliche und juristische Transaktion. Es geht zwar um ihre Kinder, ihr Vermögen – aber wenn ich so emotional würde, dass ich weinen müsste, würde das meinem Mandanten schaden.
ZEITmagazin: Sämtliche Unterlagen auf Ihrem Schreibtisch sind umgedreht, sodass man nichts lesen kann. Wie viele der Namen würde ich sofort kennen?
Wasser: Ich vertrete im Moment ungefähr 50 Mandanten. 30 davon kennen Sie, würde ich sagen.
ZEITmagazin: Ein wahrer Schatz für einen Klatschreporter.
Wasser: Die meisten Fälle in diesen Unterlagen sind bekannt, aber ja: Von zehn Trennungen wissen Sie noch nichts.
ZEITmagazin: Beim Fotoshooting vor wenigen Minuten haben Sie mir Ihr Smartphone in die Hand gedrückt. Es hat ständig geklingelt. Hatten Sie nicht Angst, dass ich eine SMS von Angelina Jolie zu Gesicht bekomme?
Laura Wasser
49, ist in Los Angeles geboren. Ihre Eltern, beide Anwälte, gaben ihr den zweiten Vornamen Allison, damit ihre Initialen L. A. W. ergeben – übersetzt "Recht". Sie hat zwei Kinder und lebt in Hollywood
Wasser: Erstens machen Sie einen vertrauenswürdigen Eindruck. Und zweitens speichere ich meine Mandanten unter falschem Namen ein oder verwende nur ihre Initialen. In Zeiten von Social Media ist es die Aufgabe einer Scheidungsanwältin wie mir, die Fälle möglichst aus der Öffentlichkeit zu halten. Alle in der Kanzlei sind angewiesen, keine Informationen an die Presse zu geben. Ein Vorteil ist, dass in diesem Gebäude eine große Filmagentur angesiedelt ist, früher war der Fernsehsender HBO nebenan. Wenn ein Hollywood-Star unten am Empfang gesichtet wird, heißt das also längst nicht, dass er auf dem Weg zu mir ist.
ZEITmagazin: Warum geben Sie dieses Interview?
Wasser: Ich finde es wichtig für junge Menschen, vor allem für junge Frauen, zu sehen, dass es möglich ist, eine Karriere zu haben und nebenbei eine Familie. Deshalb spreche ich gerne über mich und meine Arbeit. Aber über meine Mandanten verrate ich natürlich nichts.
ZEITmagazin: Stimmt es, dass Sie mit dem Gründer von TMZ befreundet sind, Harvey Levin? Die wichtigste Klatsch-Website der Welt lebt davon, intime Details aus Hollywood zu veröffentlichen.
Wasser: Ich würde nicht sagen, dass wir befreundet sind. Wir kennen uns seit vielen Jahren. Er ist ein liebenswerter Kerl. Wir haben nur sehr unterschiedliche Auffassungen davon, wie man mit dem Privatleben von Menschen umgeht. Ich nehme oft nicht ab, wenn ich seine Nummer sehe, weil ich weiß, dass er bloß neue Informationen von mir will, die ich nicht herausgeben möchte.
ZEITmagazin: Das wäre auch wirklich eine erstaunliche Freundschaft: Niemand kennt so viele Hollywood-Geheimnisse wie Sie.
Wasser: Vielleicht bin ich deshalb nicht mit ihm befreundet: Ich traue mir selbst nicht zu, immer dichtzuhalten!
ZEITmagazin: Kaum eine Hollywood-Ehe hält länger als ein paar Jahre. Woran liegt das?
Wasser: In Hollywood eine Ehe und Beziehung zu führen ist hart. Vor allem mit der Monogamie haben die Menschen hier Schwierigkeiten. Ich glaube, das liegt an der Lebensweise: Du triffst ständig neue Leute, den newer, better deal. Wenn du Schauspieler bist, verbringst du Wochen am Filmset, du bist nicht du, sondern spielst eine völlig andere Person. Hollywood, dieses Land der Fantasien, des Verkleidens, der Täuschung, macht es einem leicht, von Beziehung zu Beziehung zu springen.
ZEITmagazin: Welche Rolle spielt der Sex in Hollywood?
Wasser: Nach außen hin wirken die Beziehungen magisch und aufregend, die Fassaden glänzen. Aber das hat oft nichts damit zu tun, was hinter verschlossenen Türen abläuft. Ich erinnere mich an eine Mandantin, um die 40 Jahre alt, die mir erzählte, dass sie seit zwei Jahren keinen Sex mehr mit ihrem Mann hatte. Ich würde jedem Paar in einem solchen Fall raten, dringend darüber zu sprechen. Sonst landet man am Ende in einem Büro wie meinem. Es mag hart klingen, doch so ist es: Wenn du nicht mit deinem Mann schläfst, wird es eine andere tun.
ZEITmagazin 40/2017
Dieser Artikel stammt aus der ZEIT Nr. 40/2017. Hier können Sie die gesamte Ausgabe lesen.
ZEITmagazin: Die Nanny zum Beispiel.
Wasser: Ja, davon höre ich oft. Ist ja klar: Eine junge Frau ist bei Ihnen im Haus, die auf die Kinder aufpasst, während Ihre eigene Frau unterwegs auf einem Filmdreh ist. Es bauen sich Gefühle für die Nanny auf, bis etwas läuft zwischen Ehemann und Nanny. Mich ärgern die betrügenden Männer, aber auch die Nannys: Wenn du gebucht wurdest, um auf die Kinder aufzupassen, solltest du nicht mit dem Ehemann rumalbern.
ZEITmagazin: Könnte man nicht eine weniger attraktive Nanny einstellen?
Wasser: Aus diesem Grund gibt es hier ja auch Mannys: Männer, die auf die Kinder aufpassen. Aber dann dreht sich das Problem einfach um: Die Frauen fangen was mit den Mannys an. Genau wie mit den Tennislehrern und den Hauslehrern ihrer Kinder.
ZEITmagazin: Die laufende Scheidung von Angelina Jolie und Brad Pitt ist einer Ihrer prominentesten Fälle der letzten Zeit. Wie klärt sich eigentlich, wen von beiden Sie vertreten?
Wasser: Ich habe Angelina ja schon mal vertreten.
ZEITmagazin: 2003, als sie sich von Billy Bob Thornton scheiden ließ.
Wasser: Ich dürfte Brad Pitt also gar nicht vertreten, es gäbe einen Konflikt, denn ich weiß viel zu viel über Angelina Jolies Finanzen.
ZEITmagazin: Gab es einen Moment, in dem Angelina Jolie und Sie kurz gelacht haben über die Tragik, dass Sie beide wieder vereint waren in Ihrer Kanzlei?
Wasser: Nein. Es ist nicht lustig. Es ist auch eine völlig neue Situation bei ihr, eine ganz andere Beziehung. Man kann es kaum vergleichen. Natürlich geht es ein wenig vertrauter zu mit einem Mandanten, der schon mal da war. Aber es ist nicht so, dass ich so was sage wie: "Ich erinnere mich noch, als Sie letztes Mal ..."
ZEITmagazin: Was genau ist Ihre Aufgabe bei der Scheidung der beiden?
Wasser: Es gibt immer drei Dinge, die zu klären sind: Was ist mit den Kindern? Was passiert mit dem Vermögen? Und wie gehen wir mit Unterhaltszahlungen um? Ich arbeite mit Wirtschaftsprüfern zusammen, weil meine Mandanten und ihre Ex-Partner oft keinen Überblick über ihre Finanzen haben. Es geht um viele Details: Was soll mit den Ferienhäusern passieren, mit den Filmeinnahmen, den Uhren, dem Schmuck?
ZEITmagazin: Versuchen Menschen, ihr Vermögen zu verstecken, um weniger mit dem Ex-Partner teilen zu müssen?
Wasser: Es ist im Staat Kalifornien ziemlich schwierig, Geld oder Vermögen zu verstecken. Die beiden Streitparteien müssen ihr Vermögen unter Eid offenlegen. Wenn später entdeckt wird, dass jemand etwas verheimlicht hat, kann das die Schlichtung nichtig machen oder zu einer Geldstrafe führen. Ich kenne den Fall einer Frau, die beim Lotto gewonnen hat, davon aber niemandem erzählt hat aus Furcht, es könnte die Unterhaltszahlungen an sie verringern. Als es rauskam, verordnete der Richter, dass sie als Strafe den Lottogewinn an ihren Ex-Mann abtreten musste.
ZEITmagazin: Es ist also extrem wichtig, wirklich alle Informationen zu haben. Wenn Sie die haben, ziehen Sie dann vor Gericht?
Wasser: Nein, nach einiger Zeit setzen wir einen Schlichtungstag an: Ein pensionierter Richter, der Ex-Partner mit seinem Anwalt und mein Mandant kommen zu mir in die Kanzlei, und wir versuchen, einen Deal hinzubekommen.
ZEITmagazin: Sie simulieren hier Gerichtsprozesse mit pensionierten Richtern?
Wasser: Ja, denn sobald Sie vor ein offizielles Gericht gehen, wird der gesamte Fall öffentlich. Das versuchen wir zu vermeiden. Es ist einfacher, einen Rechtsstreit zu schlichten, wenn nicht die gesamte Welt zusieht.
ZEITmagazin: Wie läuft so ein Schlichtungstag bei Ihnen ab?
Wasser: Wir belegen drei Räume: den Konferenzraum, ein zweites Büro für den Ex-Partner und seinen Anwalt und mein Büro, in dem mein Mandant und ich sitzen. Die beiden Parteien ziehen sich in ihr Büro zurück und schreiben Forderungen auf: so und so viel Geld pro Monat, die Kinder für so und so viele Tage. Wenn der Ex-Partner zum Beispiel ein Drogenproblem hat, kommt auch das auf den Tisch: Ist er oder sie überhaupt geeignet, die Kinder zu hüten? Dann treffen sich alle im Konferenzraum vor dem Richter. Oft geht es danach wieder zurück in die Büros.
ZEITmagazin: Wird geschrien im Konferenzraum?
Wasser: Ja, das passiert öfter. Eine Frau hat mal einen Stiletto nach ihrem Ex geworfen. Ich glaube, es ist gesund, seinem Ärger Luft zu machen. Das Aufeinandertreffen im Konferenzraum ist für viele ja die Möglichkeit, dem Partner noch mal klar zu sagen, was er falsch gemacht hat.
ZEITmagazin: Schreien Sie?
Wasser: Nein, ich bin mit 1,53 Metern zu klein, da hilft das Schreien nichts. Als Frau schüchterst du niemanden ein durch Schreien. Wenn ich wütend werde, werde ich eher still.
ZEITmagazin: Kaum vorstellbar, dass Sie Johnny Depp und Amber Heard hier in einem Zimmer vereint haben im vergangenen Jahr. Die beiden schienen im Krieg zu sein gegeneinander.
Wasser: Ganz so lief es auch nicht ab. Der Fall begann Ende Mai 2016 und war bis Mitte August abgeschlossen, was sehr schnell ist für eine Scheidung. Die beiden haben keine Kinder, waren nur kurz verheiratet. Es brauchte keine aufwendige Schlichtung bei mir in der Kanzlei.
ZEITmagazin: Wie kommt es, dass manche Scheidungen sich hingegen ewig hinziehen? Sie vertreten Maria Shriver bei ihrer Scheidung von Arnold Schwarzenegger. Das läuft schon seit vielen Jahren.
Wasser: Ich kann nicht konkret über den Fall sprechen, aber die Dauer hängt generell oft damit zusammen, wie kompliziert die Finanzsituation ist und auch wie schwierig es ist, Termine hinzubekommen.
ZEITmagazin: Wenn Angelina Jolie und Brad Pitt bei Ihnen in der Kanzlei sind: Gibt’s dann Blumengestecke, extra Catering? Oder sieht alles so bürohaft aus wie jetzt?
Wasser: Ja, alles ist so, wie Sie es sehen. Als wir diese Kanzlei eingerichtet haben, überlegten wir übrigens kurz, ob wir die Büros wirklich mit Glastüren ausstatten wollen, durch die jeder hindurchsehen kann. Wir entschieden uns dafür. Unsere Einstellung ist: Wer hier ist, ist eben hier.
ZEITmagazin: Wann ist die stressigste Zeit im Jahr für Sie?
Wasser: Anfang Januar rufen viele an. Meine Vermutung ist, dass die Leute sich denken: Ich kann nicht noch mal mit dieser Person meine Feiertage verbringen. Im Sommer kommen auch einige neue Klienten dazu, weil viele gerne warten, bis ihre Kinder im Summercamp sind, um die Scheidung einzureichen.
ZEITmagazin: Gibt es Scheidungen, bei denen Sie denken: Wie traurig, ihr wart doch perfekt?
Wasser: Das Ende der Beziehung von Gavin Rossdale und Gwen Stefani fand ich schade, weil ich die beiden ein wenig kannte. Ich erinnere mich noch, wie sie heirateten, wir sind gleich alt. Aber ich hoffe eigentlich immer, dass alle Paare zusammenbleiben. Wenn es doch zur Trennung kommt, bin ich dennoch selten überrascht.
ZEITmagazin: Warum?
Wasser: Ich kümmere mich ja auch um Eheverträge. Ich halte die Art, wie die Menschen über ihren Ehevertrag diskutieren, für einen guten Gradmesser für die Erfolgsaussichten ihrer Beziehung. Ich finde, man sollte vorher offen sprechen können über Fragen wie: Sparen wir Geld? Gehe ich wieder arbeiten, wenn das Kind da ist? Zieht deine Mutter bei uns ein, wenn sie alt ist, oder kommt sie ins Altersheim? Je besser die Kommunikation, desto unwahrscheinlicher ist es in meinen Augen, dass es zur Trennung kommt.
ZEITmagazin: Manchmal heiraten Hollywood-Stars ja auch Menschen, die nicht berühmt sind. Vertreten Sie lieber den millionenschweren Schauspieler oder seinen Ehepartner?
Wasser: Ich komme besser zurecht mit demjenigen, der die Brötchen verdient. Wir haben beide das gleiche Ziel: den Fall möglichst effizient zu Ende bringen.
ZEITmagazin: Einer Ihrer legendären Fälle war anders gelagert: Sie vertraten die Ex-Frau von Mel Gibson und holten 2011 über 400 Millionen Dollar für sie raus.
Wasser: Sie ist ein außergewöhnlich toller Mensch, und die beiden waren sehr lange verheiratet. Sie haben viele Kinder. Es war eine schwierige Situation damals, es ging ja um eine andere Frau und ein Baby, und trotzdem hat Robyn Moore all das mit Würde durchgestanden. Die Frau hat Klasse. Das hat mich beeindruckt.
ZEITmagazin: Kann Geld wirklich Wunden heilen?
Wasser: Nein, aber es schadet auch nicht.
ZEITmagazin: Verdienen Sie an der Schlichtungssumme mit, oder bekommen Sie ausschließlich Ihren Stundensatz von 850 Dollar?
Wasser: Ich bekomme Stundenlohn, keine Erfolgsbeteiligung.
ZEITmagazin: Arbeiten Sie lieber für Frauen?
Wasser: Ich kann mich sowohl mit Frauen wie auch mit Männern solidarisieren: Wer auch immer die vernünftigere, schlichtungswilligere Person ist, mit dem arbeite ich lieber zusammen.
ZEITmagazin: 400 Millionen Dollar ist eine unfassbar hohe Summe. Gibt es Besonderheiten beim kalifornischen Scheidungsrecht?
Wasser: Kalifornien ist einer von neun Gütergemeinschafts-Staaten: Arizona, Idaho, Louisiana, Nevada, New Mexico, Texas, Washington State, Wisconsin und eben Kalifornien. Hier gilt: Jedes Gemälde, jedes Drehbuch, jedes Lied gehört zur Hälfte dem Partner, wenn es während der Ehe entstanden ist. Wenn du also 2017 ein Drehbuch schreibst, dich kurz danach trennst und der Film 2019 in die Kinos kommt, musst du das Geld mit deinem Ex-Partner teilen, auch wenn du mit ihm vielleicht längst nicht mehr in Kontakt stehst. In allen übrigen Staaten entscheidet das Gericht je nach Lage des Falles.
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ZEITmagazin: Solche Fälle kennen Sie wirklich?
Wasser: Klar, ich habe die NBA-Spieler vertreten. Die Frauen hängen in Bars rum, von denen sie wissen, dass dort Lakers- oder Clippers-Spieler verkehren. Sie bieten den Männern Sex an, verhüten nicht – und bekommen 18 Jahre lang 25.000 Dollar pro Monat – steuerfrei.
ZEITmagazin: Die Spieler könnten ja auch einfach verhüten, wenn sie mit einer Fremden schlafen.
ZEITmagazin: Sie leben in West Hollywood. Was passiert, wenn Sie auf der Straße jemandem wie Brad Pitt begegnen?
Wasser: Ich bekomme schon manchmal mit, dass jemand hinter meinem Rücken über mich sagt: "Fuck Laura Wasser, sie ist ein böser Mensch." In 95 Prozent der Fälle aber geht es zivilisiert zu. Mein Job ist ja nicht, Menschen zu ruinieren. Es kam sogar schon vor, dass der Gegner mir nach der Scheidung gesagt hat: "Sie haben meinen Ex-Partner gut vertreten, ich hätte gerne, dass Sie dasselbe für meinen Kumpel tun." Meine Herangehensweise ist: Ich kühle die Emotionen der Eheleute runter, ich mache aus einer Trennung eine Finanztransaktion.
ZEITmagazin: Wie schaffen Sie es, die Emotionen runterzukühlen?
Wasser: Indem ich Ruhe ausstrahle. Das überträgt sich dann oft auf den Mandanten. Ich sage ihm: "Auch das wird vorübergehen." Das hilft, die Dinge ins rechte Licht zu rücken.
ZEITmagazin: Was haben Sie als Scheidungsanwältin über das Wesen der Menschen gelernt, das Sie vorher nicht geahnt haben?
Wasser: Menschen verhalten sich ziemlich irrational, wenn sie emotionale Schmerzen erleiden. Leider zeigt sich das vor allem im Umgang mit ihren eigenen Kindern. Sie sagen und machen Dinge, die sie später bereuen.
ZEITmagazin: Welcher Scheidungsfall war der anstrengendste für Sie?
Wasser: Da kommt mir Johnny Depp in den Sinn. Normalerweise nehme ich mir den Monat August frei, um mit meinen beiden Kindern Urlaub zu machen. Doch im vergangenen Jahr musste ich den Urlaub absagen, weil die Johnny-Depp-Scheidung noch lief. Es war nicht stressiger als sonst, nur der Zeitpunkt war ungünstig. Und dann, an dem Tag, an dem wir den Fall schlichteten, kam mein Vater zu mir und sagte, dass er Krebs hat.
ZEITmagazin: Ihr Vater ist der legendäre Scheidungsanwalt Dennis Wasser. Wie geht es ihm heute?
Wasser: Er hat tolle Ärzte und einen unglaublichen Willen. Er ist auf dem Weg der Besserung. Wir sind alle sehr glücklich.
ZEITmagazin: Er hat diese Kanzlei im Jahr 1976 gegründet. Arbeitet er noch?
Wasser: Ja, er sitzt sieben Bürotüren weiter. Er ist heute nicht da, weil er im Urlaub ist. Normalerweise sehe ich ihn drei- oder viermal pro Woche. Und zwar schon sehr lange: Ich habe begonnen, hier zu arbeiten, als ich 26 war.
ZEITmagazin: Er vertrat vor allem die alte Garde, Mia Farrow, Clint Eastwood. Wie unterscheiden Sie sich als Anwälte?
Wasser: Sein Stil ist anders. Er ist ein 75 Jahre alter Mann. Er spricht ein wenig mehr über seine Mandanten, als ich es tue. Mit einigen ist er auch befreundet. Ihn stört die Aufmerksamkeit nicht so wie mich. Ich habe kleine Kinder, ich will nicht, dass mich jemand fotografiert, wenn ich ein Restaurant verlasse. Aber ich habe so viel von ihm gelernt. Das analytische Denken zum Beispiel.
ZEITmagazin: Was schätzen Sie an Matt?
Wasser: Seine Ehrlichkeit, seinen Humor, seine Sanftmut. Ich habe ein sehr aufwendiges Leben. Zwei Kinder, zwei Väter, meine ganze Familie lebt hier im südlichen Kalifornien. Meine Mutter lebt in Malibu, sie ist ständig bei uns. Mein Bruder lebt hier, auch er hat zwei Kinder. Es ist immer viel los. Wer mit mir zusammen ist, muss das akzeptieren. Matt nennt mein Leben "the circus".
ZEITmagazin: Sind Sie mit Ex-Mandanten befreundet?
Wasser: Stevie Wonder ist der einzige, ihn habe ich vor vielen Jahren mal vertreten. Aber er ist mittlerweile eher wie ein Familienmitglied. Ansonsten halte ich es nicht für normal, mit früheren Mandanten befreundet zu sein. Es herrscht zwar für eine gewisse Zeit eine große Intimität zwischen den Mandanten und mir, ich erlebe ja einen krisenhaften Moment ihres Lebens mit ihnen. Aber ich sehe es ganz klar als Job: Ich bekomme Geld, um das Beste für meinen Mandanten rauszuholen. Ich weiß, dass es Scheidungsanwälte gibt, die das anders sehen und die denken, dass sie best buddies sind mit ihren Mandanten. Aber die meisten Mandanten haben doch gar keine Lust, befreundet zu sein mit einem Menschen, den sie mit den schmerzhaftesten Zeiten ihres Lebens verbinden. Man ist ja auch nicht mit seinem Onkologen befreundet.
Sie steht jeden Morgen zwischen 5.30 Uhr und 6 Uhr auf. Ihr Lebensgefährte nennt Wassers hektischen Alltag "the circus". © Michael Schmelling
ZEITmagazin: Was passiert, unmittelbar nachdem ein Fall geschlichtet wurde? Gibt es Champagner?
Wasser: Wir stoßen manchmal irgendwo gemeinsam an, aber nicht im Büro. Meistens wollen die Mandanten mit anderen feiern als mit mir. Was ich manchmal zum Abschluss vorschlage, ist: Wir treffen uns in einem Jahr wieder und sprechen darüber, wie sich das Leben weiterentwickelt hat. Manchmal passiert das auch. Es kommt auch vor, dass ich Geschenke bekomme, eine schöne Rolex zum Beispiel. Es gibt einen Mann, dem ich einmal das Sorgerecht für seine Tochter gesichert habe. Sie war damals im Kindergarten, heute ist sie im College. Der Mann schickt mir jedes Jahr zu Weihnachten ein Foto von ihr und eine Dankeskarte, obwohl ich ihn seit fast 20 Jahren nicht gesehen habe.
ZEITmagazin: Gehen Sie auf Hochzeiten in Hollywood, oder sind Sie ein eher unerwünschter Gast?
Wasser: Oh doch, ich war im Februar zum Beispiel auf einer Hochzeit, bei der ich sowohl die Braut als auch den Bräutigam schon bei mir in der Kanzlei sitzen hatte.
ZEITmagazin: Wer war das Brautpaar?
Wasser: Jimmy Iovine und Liberty Ross.
ZEITmagazin: Der Musikproduzent und das Model.
Wasser: Ja, es war eine wundervolle Hochzeit. Ich mag Hochzeiten sehr.
ZEITmagazin: Welchen Ratschlag geben Sie jemandem, der gerade eine neue Beziehung begonnen hat?
Wasser: Seien Sie rücksichtsvoll. Seien Sie nett zueinander. Was ich an Matt zum Beispiel liebe: Er sagt mir ständig, wie wunderschön er mich findet. Auch in Momenten, in denen ich weiß, dass ich nicht wunderschön aussehe. Er sagt: "Du siehst so schön aus." Und ich antworte: "So ein Scheiß." Und trotzdem finde ich es schön.
ZEITmagazin: Können Sie uns als Scheidungsanwältin erklären, warum die Ehe eine gute Idee ist?
Wasser: Ich weiß es nicht. Ich will nicht sagen, dass die Ehe eine schlechte Idee ist. Für manche bedeutet sie bestimmt Stabilität, emotional und finanziell. Sie ist eine alte kulturelle Tradition. Ob sie sinnvoll ist? Keine Ahnung. Für mich jedenfalls nicht.
ZEITmagazin: Glauben Sie an die Monogamie?
Wasser: Ja, absolut. Aber ich glaube nicht, dass alle Menschen für die Monogamie geschaffen sind. Es ist eine Frage der Persönlichkeit. Potenzielle Betrüger wissen, denke ich, dass sie Betrüger sind. Sie hoffen nur insgeheim, dass sie damit durchkommen.
ZEITmagazin: Stimmt es, dass diejenigen, die am intensivsten geliebt haben, auch am meisten hassen?
Wasser: Nicht unbedingt. Ich glaube aber, dass sich Menschen, die furchtbar zueinander sind bei der Trennung, oft noch lieben.
ZEITmagazin: Was bleibt im besten und im schlechtesten Fall von einer vergangenen Beziehung?
Wasser: Das Wissen, dass es immer besser ist, geliebt zu haben, als nicht geliebt zu haben. Die guten Momente einer Beziehung im Gedächtnis zu behalten hilft, mit dem Leben fortzufahren. Das Schlimmste, was man aus einer vergangenen Partnerschaft davontragen kann, sind Zorn und die Angst, noch einmal verletzt zu werden.
ZEITmagazin: Muhammad Ali hat mal gesagt, sein härtester Gegner sei seine erste Frau gewesen. Erkennen wir erst im Zuge der Trennung, mit wem wir es wirklich zu tun haben?
Wasser: Ein Satz, den ich öfter höre, ist: "Das ist nicht der Mensch, den ich geheiratet habe." Ich glaube das immer nicht so ganz. Denn wer ehrlich zu sich ist, kann schon ahnen, ob der Partner ein unangenehmer Scheidungspartner sein wird. Heiraten Sie niemanden, bei dem Sie sich unsicher sind, wie er sich bei einer Scheidung verhalten würde. Wer völlig überrascht ist vom Verhalten seines Partners bei der Scheidung, hat vorher etwas übersehen.
ZEITmagazin: Was sind Alarmsignale in einer Beziehung?
Wasser: Wenn Sie zu Beginn der Beziehung Verrücktheiten bei Ihrem Partner erahnen, seien Sie sicher: Sie haben recht. Die Überheblichkeit, das irrationale Verhalten, die Rücksichtslosigkeit, die Sie in den ersten Monaten wittern: Sie haben richtig gesehen, so ist der Mensch, in den Sie sich verliebt haben. Ich will damit nicht sagen, dass man solche Schwierigkeiten nicht überwinden kann, ich sage nur, dass man sich damit wird auseinandersetzen müssen.
ZEITmagazin: Laut dem Philosophen Alain de Botton muss davon ausgegangen werden, dass jeder Mensch, in den man sich verliebt, verrückt ist.
Wasser: Stimmt – die Aufgabe ist, die Sorte Verrücktheit zu finden, die am besten zu einem passt.
http://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/40/laura-wasser-hollywood-scheidung-anwaeltin-interview/seite-4
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