Ken Loach

US Politics

 
 


ZEIT: In Ihrem Beitrag zu dem Episodenfilm 11:09:01 sprechen Sie den Angehörigen der Opfer des World-Trade-Center-Anschlages Ihr aufrichtiges Beileid aus. Gleichzeitig erinnern Sie an den Terror, den die CIA beispielsweise in Chile zu verantworten hat. Das hat Ihnen den Vorwurf des Antiamerikanismus eingetragen.

LOACH: Zunächst habe ich immer zwischen den Bürgern der Vereinigten Staaten und ihrer jeweiligen Regierung differenziert. Einige eder humanistischsten Menschen, die ich kenne, sind Amerikaner. Gleichzeitig habe ich aber das Gefühl, dass ein Land, das vor nicht allzu langer Zeit Naplam auf Zivilisten geworfen und in Chile eine demokratisch gewählte Regierung durch einen Diktator und sein folterndes Militär ersetzt hat, sich nicht anmaßen kann, plötzlich mit biblischer Trennschärfe über alles Gute und Böse zu richten. Die staatliche Gewalt, die auf das Konto der Vereinigten Staaten geht, übersteigt fast alles, was ansonsten in der Welt vor sich geht. Und dieses Land ist gerade dabei, die Fundamente des internationalen Staatenrechts, die wir doch gerade den Amerikanern verdanken, auf irreversible Weise zu beschädigen. Verstehen Sie mich nicht falsch, es geht mir nicht um Revanchismus, eher um eine Demut gegenüber der eigenen Geschichte und Verantwortung. Die Scheinheiligkeit und Selbstgerechtigkeit, mit der die Diskussion um Krieg und Gewalt derzeit geführt wird, ist jedenfalls kaum zu ertragen.

Gespräch. Katja Nicodemus

Quelle:

01/10/02

DIE ZEIT





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