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Chuckies Weltsicht
Chuckie kommentiert den irischen Terrorismus














Egal, ob magisch, egal, ob funkelnd, du vermagst die Zeichen zu deuten. Du hast die Fahnen gesehen, die Schrift auf den Wänden, die Blumen auf dem Pflaster. Das hier ist eine Stadt, in der die Menschen bereit sind, für ein paar bunte Stoffetzen zu töten und zu sterben. Das sind die Normen zweier Völker, die ein vier- oder achthundertjähriger nationaler und religiöser Unterschied spaltet. Hier gibt es etwas Ungereimtes, etwas Rätselhaftes, etwas, das das Blut zerfrißt. Hier gibt es keine Revolution, hier gibt es nur tödliche Konvolution.


Doch lief in der Nacht flüstert Belfast mit kaltem Atem, daß der Haß etwas sei wie ein Gott. Du siehst nicht, was du nicht siehst, aber wenn du nur blind genug kämpfst und ihm folgst, dann wärmt er dich in den Nächten, der Haß.


Wenn deine Augen durch die Stadt wandern (wie deine Augen es tun müssen, wie unsere Augen, diese demokratischen, unideologischen Apparate, es immer tun werden, als Augenzeugen, um Zeugnis abzulegen), siehst du, daß es hier wahrhaftig einen Unterschied zwischen den Menschen gibt. Manche nennen ihn religiös, manche nennen ihn politisch. Aber der verläßlichste, der wirklich allgegenwärtige Unterschied ist das Geld. Das Geld ist der Unterschied, auf den du allemal dein Geld verwetten kannst.


Du siehst blattreiche Straßen, und du siehst blattlose Straßen. Du kannst dir blattreiche Leben vorstellen und solche ohne Blätter. In den rauhen Vorstädten und den Betonbezirken sehen deine Augen so manche Wahrheit, manchen echten Unterschied. Die Narben und die Wundmale der Gewalt findet man nur an ganz bestimmten Orten. Vielen, die hier wohnen, scheint es gutzugehen. Viele leben im Wohlstand, während viele leiden.


Belfast ist eine Stadt, die ihr Herz verloren hat. Eine schiffbauende, tauknüpfende, leinenwebende Stadt. Doch es baut keine Schiffe, knüpft keine Taue, webt kein Leinen. Diese Gewerbe sind ausgestorben. Eine Stadt kann nicht überleben, wenn sie nichts mehr hat, was mit ihr zu tun hat.


Doch in der Nacht ist die Stadt ein mannigfaltiger Gottesbeweis, ......





Außerdem empfand ich Zorn. Nichts hatte sich geändert. Die Jungs mit den Wollmasken hatten von einem Sieg geredet, aber ihre Lage war noch genau dieselbe wie vor einem Vierfeljahrhundert. Dreitausend Menschen waren umgekommen, unzählige Tausende waren durch Explosionen, Schläge oder Schüsse zu Krüppeln gemacht worden, und wir anderen hatten einen beträchtlichen Teil unserer Zeit eine scheig Angst gehabt. Und wozu das alles? Was hatte es gebracht?


Und schließlich konnte ich mich nicht des Eindrucks erwehren, daß ich, wenn ich der Mann, die Frau, die Mutter, die Tochter oder der Sohn von einem dieser siebenundzwanzig Menschen wäre, die in den letzten acht Tagen getötet worden waren, vermutlich stinksauer wäre über den Zeitpunkt, zu dem diese gute alte Feuerpause über uns gekommen war.


Eigentlich empfand ich sogar vier Dinge. ich hatte nämlich auch das Gefühl, dag das Ganze jederzeit wieder anfangen konnte, bei der erstbesten Gelegenheit - sobald die das nächste Mal schlechte Laune hatten oder ihre Tage.


Als ich gerade erwog, wieder ins Haus zu gehen, sah ich an der ...




Fünfunddreißig Minuten später. Das Gespräch war fast vorbei. Chuckie sah aus dem Augenwinkel, wie der Aufnahmeleiter den nahenden Countdown signalisierte. Er war untröstlich. Flehend schaute er den Moderator an, doch dieser erbleichte sichtlich unter seinem wahnbesessenen Blick. Chuckie ignorierte die arg geschrumpfte Gestalt namens Jimmy Eve. Er wollte unbedingt noch seinen Gedanken zu Ende bringen, bevor sie abgeschaltet wurden.


»Und die andere Sache ist die, daß zum Schlug doch alles auf das Geld hinausläuft, es geht um Knete, knallhart. Ich sage das nicht von ungefähr. Denn das Geld ist nun mal eine knallharte Sache. Amerika, das fabelhafte Amerika hat das begriffen. Ihr ganzen wunderbaren Amerikaner da draußen, ihr dürft nicht auf unsere schwachsinnigen Politiker hören, Ihr hört ja nicht mal auf eure eigenen, wieso dann auf unsere? Amerika hat begriffen, was auch ich begriffen habe - man muß Dollars schaufeln, man mug Geschäfte machen. Es gibt keine Nahonalitäten, nur Reich und Arm. Scheiß was auf die Nationalität, wenn keine Arbeit da ist und kein Geld! Ich sage immer, Brot geht vor Fahnen. Ich bin hier in Amerika, um Geschäfte zu machen. Das ist der wahre Frieden. Hört nicht auf solche Arschlöcher wie den da.«


Auszug aus: Robert Mc Liam Wilson: Eureka Street, Belfast (Ireland 1996)







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